Mi, 08.11.2006

Zum 9. November unternimmt die Jahrgangsstufe 11 eine Exkursion „auf den Spuren jüdischen Lebens in Worms“

9. November 2006. Es regnet.

Die Schüler des Jahrgangs 11 stehen verschlafen vor dem Haupttor der ISH, wo sie zwei Busse erwarten. Das Ziel an diesem geschichtsträchtigen Tag ist die Stadt Worms, deren Geschichte eng mit der Jüdischen verknüpft ist.

Nach unserer Ankunft in der Wormser Innenstadt machen wir uns auf in Richtung des jüdischen Friedhofs, der zwischen 1076 und 1911 als Ruhestätte der Juden aus Worms und Umgebung fungierte. Dort treffen wir auf unsere Tourguides, die allesamt selber der jüdischen Religion angehören, und die demnach nicht nur über ein exzellentes Fachwissen verfügen, sondern uns auch die emotionale Seite der Ereignisse näher bringen können. Eine halbe Stunde später verlassen wir, beeindruckt von den unfassbar alten steinernen Zeugnissen der Geschichte, die Gedenkstätte, um uns weiteren wichtigen Elementen des jüdischen Lebens zu widmen. Durch den Besuch des Friedhofs wird uns noch stärker bewusst, zu welcher Spaltung der Gesellschaft Hitlers Ideologien geführt haben, denn gerade in Worms lebten Christen und Juden fast 1000 Jahre ergänzend und größtenteils friedlich zusammen.

Angekommen in der Judengasse, die früher keinesfalls als Ghetto, sondern als Interessensgemeinschaft der jüdischen Banker gesehen wurde, sind wir gespannt auf die Synagoge und ihre, auch vom NS-Regime geprägte, Geschichte. Interessiert folgen wir den Ausführungen unsere Tourguides über den Aufbau der Gottesdienste, die Rollen von Männern und Frauen in der Gemeinde und die Bräuche der Juden im Allgemeinen. Erstaunlich ist auch die symbolische Tiefgründigkeit von vielerlei Alltäglichkeiten und Redewendungen, die im Laufe der Zeit auch in die deutsche Kultur und ihre Sprache eingeflossen sind, zum Beispiel findet unser Sprichwort „unter die Haube kommen“ seinen Ursprung in der Tracht verheirateter Jüdinnen. Stolz können die Juden sein auf die Kontinuität ihres Gotteshauses und ihren Beitrag zu dieser, denn obgleich die Synagoge in Worms in ihrer 1000-jährigen Geschichte mehrfach bis auf die Grundmauern zerstört wurde, ist sie heute in einem ebenso guten Zustand wie im 11. Jahrhundert, als sich die erste jüdische Gemeinde gründete.

Ein ungewohntes Gefühl erweckt auch der Besuch der Mikwe, des traditionellen Bades der Reinigung vor dem Gottesdienst, welche sich mehrere Meter unter der Erdoberfläche befindet und vom Grundwasser gespeist wird.

Nach diesen authentischen Eindrücken immer noch aktueller jüdischer Kultur erhalten wir durch den Besuch der anschaulich gestalteten Museums, welches sich an die Synagoge anschließt, noch einen kleinen Einblick theoretischer und detaillierter Art in verschiedene Abschnitte der jüdischen Geschichte und ferner in ihren religiösen Kalender und Besonderheiten ihrer Lebensweise. Unter Anbetracht vieler hier dokumentierter Ungerechtigkeiten und Anschuldigungen gegenüber den Juden sträubt sich unser modernes Empfinden für Fairness, und den männlichen Teilnehmern der Führung läuft es beim Anblick des 20 cm langen Beschneidungsmessers eiskalt den Rücken herunter.

Nach der Mittagspause, die wir zur freien Verfügung hatten, treffen wir uns am Ausgangspunkt des geschichtlichen Exkurses, also am jüdischen Friedhof wieder, um den Tag emotional abzurunden; hierzu hatten Schüler im Vorfeld verschiedene Beiträge zum Thema Judentum im Allgemeinen sowie Schicksal der Juden im Dritten Reich vorbereitet. Die Spanne dabei reicht von der Verteilung selbstgebackenen jüdischen Brotes, über den Vortrag verschiedener Gedichte bis hin zur Verlesung von Zeitzeugenberichten und Auszügen aus den Nürnberger Gesetzen. Bevor jeder von uns die Möglichkeit erhält, seinen mitgebrachten Stein gemäß der jüdischen Tradition zum Gedenken auf eines der Gräber niederzulegen, singen wir noch gemeinsam das im Musikunterricht vorbereitete Lied „Tsen brider“ in jiddischer Sprache.

Alles in Allem ein stimmungsvolles Ende dieses informativen, mitreißenden und zum Nachdenken anregenden Tages, auf den sich der nächste Elfer-Jahrgang durchaus freuen darf.

Moritz Fischer & Lisa Buchauer, Kl.11

Exkursion nach Worms

9. November 1938 – ein schicksalhafter Tag für die Geschichte der deutschen Juden.

68 Jahre später unternahm die Jahrgangsstufe 11 der Internatsschule Schloss Hansenberg eine historische Exkursion auf den Spuren des jüdischen Worms.

Wir begannen unseren Stadtrundgang vor dem Kaiserdom St. Peter, einem Symbol des Heiligen Römischen Reiches und einem Monument europäischer Geschichte. Von dort aus begaben wir uns zum jüdischen Friedhof „Heiliger Sand“ – dem ältesten jüdischen Friedhof Europas. Hier wurden wir im Rahmen einer Führung in die wechselvolle Geschichte des Friedhofes und der Friedhofskultur eingeweiht. Der älteste Grabstein ist der des Jakob ha-bachur aus dem Jahre 1076/77.

Der anschließende Besuch der Synagoge mit Lehrhaus, der Mikwe (jüdisches Ritualbad) und des jüdischen Museums vermittelte uns einen lebendigen Eindruck jüdischer Gelehrsamkeit, Feste und Bräuche.

Am frühen Nachmittag versammelten wir uns zu einer „Gedenkstunde“ vor dem jüdischen Friedhof, wo wir nach der Verteilung des selbstgebackenen jüdischen Brotes Vorträgen von Mitschülern lauschten. Die von den Schülern und Schülerinnen vorgetragenen Gedichte und Textauszüge führten uns das Schicksal vieler jüdischer Menschen in der Zeit des nationalsozialistischen Terrors vor Augen und machten uns sehr nachdenklich. Im Anschluss daran sangen wir mit musikalischer Begleitung gemeinsam das Lied „Tsen Brider“. Anschließend verbrachten wir einige Minuten im stillen Gedenken auf dem Friedhof, um uns respektvoll von diesem ehrwürdigen Ort zu verabschieden.

Laura Kroschewski, Kl.11c