So, 13.02.2011

Zeitzeugengespräch mit Dr. Hans Jandl zum Thema Flucht und Vertreibung am Kriegsende 1945 (Studientagsangebot)

„„Ich wünsche Euch einen weniger aufwändigen Lebenslauf, es waren sehr unschöne Tage!““

Hans Jandl

Zeitzeuge Hans Jandl berichtet über Flucht und Vertreibung in der Nachkriegszeit

„Ich war auch mal so jung wie ihr…“ Es klang für uns fast nach Erinnerung an schöne Jugendtage. Der mit 87 Jahren jugendlich wirkende, und erst vor 5 Jahren frisch gebackene „Dr. phil.“ Hans Jandl war am Studientag, dem 14. Febr. 2011 bereits zum vierten Mal zu Besuch am Hansenberg, um als Zeitzeuge der Geschichte über das Thema „Flucht und Vertreibung der Deutschen in der Nachkriegszeit“ aus eigener Erfahrung und persönlichem Erlebnis zu berichten. Seine Erzählungen aus der (Nach-) Kriegszeit scheinen aus einer anderen Welt zu kommen, tatsächlich liegen sie aber erst um die 65–70 Jahre zurück.

Dr. Hans Jandl hat diesmal seine Frau mitgebracht, sie bleibt aber eher ruhige Zuhörerin, nur vereinzelt erzählt sie aus Ihrer Erfahrung. Dabei beeindruckt Frau Jandl besonders mit ihrer ausgeprägten Emotionalität, wenn sie z. B. von ihrer Gefangenschaft und dem Zuchthaus in den Jahren 1946 und 1947 spricht, dann kommen Tränen der bitteren Erinnerung in ihre aufmerksamen, schönen Augen.

Zeitzeuge Hans Jandl, mit Orden und Anerkennungen und Büchern voll bepackt, berichtet jugendlich frisch und sehr aufgeräumt von der Not dieser Zeit, einfach unbeschreibbar. Und wenn man die Not dieser millionenfachen Vertreibung heute beschreibt, dann ist diese Erfahrung nicht begreifbar. Einen geografischen Anhaltspunkt für uns jugendliche Zuhörer bietet die von Herrn Jandl herum gegebene Landkarte. „Hier liegt meine Heimat – das kleine Dorf Rothmühl im Sudetenland“ Hans Jandl veranschaulicht uns eindrücklich seine Vertreibungswege. „Es war keine schöne Zeit, kann ich euch sagen, von jetzt auf gleich seine Heimat verlassen zu müssen.“

Seine Heimat musste Hans Jandl nach dem 2. Weltkrieg, am 27. Juli 1946 verlassen. „Der 8. Mai 1945 war ein Tag der Befreiung, aber für die Vertriebenen fing da erst das Leid an.“ Und so berichtet Jandl, wie er von der russischen Gefangenschaft in die nächste, die Amerikanische geraten ist. Einmal sollte er ein Grab für sich selbst schaufeln und ein anderes Mal lagen sie mit 26 Personen in einer Zelle für Drei – „wie die Sardinen!“. Danach kam der Kriegsheimkehrer als „Strafe“ in ein Kohlebergwerk und musste Zwangsarbeit verrichten. Dazu wurden die Arbeiter in engen Schächten unter Tage gebracht, aber Hans Jandl hat sich so lange beschwert, bis er fortan „über Tage arbeiten durfte“.

Schließlich ist er dann aber 1947 von der SBZ in die amerikanische Zone nach Bayern geflohen. „Meine Angebetete (Frau Jandl schmunzelt!) war ja in Passau!“ Der Zeitzeuge schaut lange seine Frau gegenüber in der Gesprächsrunde sitzend an. Sie lächelt. Wir sehen ein glückliches Paar. Abschließend erklärt uns Hans Jandl, dass die Eingliederung in Deutschland vollends geglückt sei. Heute fühlt er sich hier im Rheingau zuhause und sagt, es wurde sehr gute Aufbauarbeit in Deutschland geleistet. Aus dem Geschichtsunterricht ist uns das als „Deutsches Wirtschaftswunder“ nach der Währungsreform 1948 bekannt.

Hans Jandl hat am Studientag Geschichte für uns lebendig werden lassen. Es war sehr anschaulich und beeindruckend für uns Zuhörer aus den Kl. 11 und 12. Auch wenn wir es uns das Leid nicht “real“ vorstellen können, so haben wir wenigstens einen kleinen Einblick in diese schwere Zeit erhalten. „Ich wünsche Euch einen weniger aufwändigen Lebenslauf, es waren sehr unschöne Tage!“, so resümiert Familie Jandl die schwierige Zeit von Flucht, Vertreibung und Neubeginn der Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten.

Paul Rauh, Lehrer für Geschichte, Kl. 11