Mi, 01.02.2012

Zeitzeugen Hans und Erna Jandl berichten von "Flucht, Vertreibung, Integration: 1945 -2012"

Am 02.02.12 startete der siebte Studientag dieses Schuljahres mit einem ganz besonderen Angebot. Schon zum fünften Mal besuchte Dr. Hans Jandl unsere Schule, dieses Mal in Begleitung mit Frau und Tochter, um eindrucksvoll von seiner schweren Vergangenheit zu berichten.

Der mittlerweile 88-jährige, welcher eine ganze Reihe an Büchern zum Thema Flüchtlinge, Heimatvertriebene und deren Eingliederung verfasst hat, erhielt unter anderem im Jahr 2006 den hessischen Verdienstorden für „einzigartige Verdienste bei der Bewahrung der ostdeutschen Kultur“. Seine Doktorarbeit, durch welche er 2005 seinen Doktortitel erhielt, durften wir uns auch genauer ansehen. Ein überaus interessanter Einblick in ein dreiviertel Jahr intensive Recherche und harte Arbeit. Ohne Zweifel sollten wir alle an diesem Tag eine bemerkenswerte Persönlichkeit kennen lernen.

Geboren wurde Hans Jandl 1923 in Rothmühl im Sudetenland, musste ab 1940 als damals 18-Jähriger „Soldat spielen“ und geriet im Jahre 1946 in russische Gefangenschaft. Ihm gelang bald die Flucht aus der sowjetischen Gefangenschaft, musste dann aber in Bayern in amerikanischer Gefangenschaft in einem Kohlebergwerk Tag und Nacht harte Arbeit verrichten.

Nach seiner Entlassung 1947 kamen jedoch neue Probleme auf, da die Eingliederung von etwa 6 (?) Millionen Flüchtlingen in Deutschland alles andere als einfach von statten gehen konnte, denn wie sollte man denn auf einmal so viele Menschen unterbringen? Der Platzmangel machte allen Beteiligten schwer zu schaffen, so Jandl. „Damals hatte ich ja schon meine Verlobte (H. Jandl zeigt auf seine ruhig zuhörende Ehefrau). Wir wurden damals in Passau zwangsweise bei fremden Leuten einquartiert und mussten durch fremde Schlafzimmer gehen, um unser „eigenes Zimmer“ zu erreichen.“ Solche Verhältnisse erleichterten das neue Leben in der neuen, bisher unbekannten Heimat nicht wirklich, doch trotz dieser schweren Zeit gelang Hans Jandl die erfolgreiche Eingliederung in die Entwicklung der Nachkriegszeit.

Hans Jandl wurde Grundschullehrer in Hessen, zog 1949 nach Oestrich-Winkel und gründete mit Erna Jandl, die er schon aus der Schulzeit in Rothmühl kannte, eine Familie. In Hallgarten bauten Sie ein Haus und haben 4 Kinder groß gezogen.

Uns als Zuhörern wurde besonders das innige Verhältnis der beiden bewusst. Oft lächelte Hans Jandl seine Frau an und nannte sie in seinen Erzählungen liebevoll seine „Braut“. Auch eine seiner Töchter, welche wir kennenlernen durften, trug ihren Teil zu diesem gelungenen Zeitzeugengespräch bei, in dem sie unverhüllt von ihren eigenen Kindheitserfahrungen in Bezug auf Ausgrenzung aufgrund der elterlichen Vergangenheit berichtete. „Die Dahergeloffene kriegt hier keinen Mann!“ sagte Sie zu ihren bedrückenden Jugenderfahrungen. „Wir gehörten einfach zu einer fremden Welt für die Einheimischen. Wir waren für Sie halt die Flüchtlinge!“.

Abschließend lässt sich sagen, dass das diesjährige Zeitzeugengespräch mit Herrn Jandl, dessen Frau und Tochter überaus interessant, mitreisend und hilfreich war, um ein besseres Verständnis für die damalige Situation der Vertriebenen zu entwickeln. Und auch um sein neu erworbenes Wissen an die nächsten Generationen weitergeben zu können. Menschen wie Hans Jandl machen dies möglich!