So, 13.02.2011

Workshop mit Herrn Dr. Lipsett am Studientag zum Thema Diskursethik

Wie bezwinge ich eigentlich den Teufel oder seinen Anwalt in einer Diskussion?

Erst einmal müsste sich zwar auch der Teufel an gewisse Regeln eines idealen Diskurses halten, aber dann habe ich einen Vorteil bereits in der Tasche. Was sind nun diese Regeln eines idealen Diskurses und was ist die Idee hinter diesen, welche allgemein in das Gebiet der Diskursethik fallen?

Mit diesem hochspannendem Thema startete eine Gruppe von Interessierten ein Studientagsangebot des 14.2. (5.-8. Schulstunde). Unter diesen befand sich neben vielen Schülern und dem Organisator des Angebots Herr Bernöster ein promovierter Philosoph als Referent, Herr Dr. Lipsett. Dr. Lipsett studierte an der Frankfurter Universität Jura, promovierte unter Karl Otto Apel, neben Habermas der wichtigste Mitbegründer der „Neuen Frankfurter Schule“. Er setze sich ausführlich mit dem Thema Gerechtigkeit auseinander. Dieses besondere Interesse rührt vom Einstiegssatz des Professors in seiner ersten Vorlesung her: „Wenn Sie meinen hier etwas wie Gerechtigkeit zu finden, sind Sie falsch hier. So etwas wie Gerechtigkeit gibt es nicht.“ Wenn man davon ausgeht, ist jedoch ein weiterer großer, vager Begriff in der Ethik schwankend, die Wahrheit. Wenn es nichts „Richtiges“ gibt, gibt es dann auch keine Wahrheit?

Es entwickelte sich über die ersten zwei Stunden eine sehr spannende, mit reger Beteiligung geführte Diskussion über den Begriff der Wahrheit. Dabei entstand ein durchaus idealer Diskurs, denn es war keinesfalls eine autoritär geführte Fragerunde, in der Herr Lipsett nur auf gewisse Begriffe zu steuerte, sondern vielmehr eine entspannte Runde, in der alle auf gefühlter Augenhöhe agierten.

In einer Hinsicht muss man zwischen „Wahrheit“ und „Wahres“ unterscheiden. Dass „1+1=2“ ergibt, ist wahr, jedoch keinesfalls „die“ Wahrheit. Kann ich denn nun überhaupt die Wahrheit erkennen? Zugrunde gelegt wurde dieser Frage die Diskursethik von Apel und Habermas und die Transzendentalpragmatik von Apel. Mit Hilfe von Herrn Lipsett wurden wir an diese Begriffe herangeführt. Jeder, der in einem Diskurs sich an die Regeln hält, setzt voraus, dass so etwas wie Wahrheit möglich ist. Somit beanspruchen Skeptiker in dem Satz “es gibt keine Wahrheit“ bereits einen Wahrheitsanspruch für sich und widerlegen die eigene These. Dieser Gedanke wird bei Habermas und Apel „Performativer Widerspruch“ genannt. Es stellt sich darüber hinaus ein anderes pragmatisches Problem, da man prinzipiell niemandem vom Diskurs ausschließen darf und auch eine begründete Abschweifung auf einen Nebenschauplatz nicht verhindern darf, denn Ausgeschlossene oder ausgeschlossene Themen könnten zur Wahrheitsfindung im Diskurs: Es ist nicht sicher zu sagen, ob nicht gerade die Person XY den entscheidenden Gedanken hat oder vielleicht gerade im dem abwegigsten Nebenthema der Schlüssel zur Frage liegt.

Nach der Mittagspause wurde die Diskussion etwas theoretischer wieder aufgegriffen, jedoch fehlte dann leider doch am Ende die Zeit für noch weitergehende Vertiefungen, sodass man nur darauf hoffen kann, dass Herr Lipsett noch einmal den Weg zu unserer Schule findet. Herzlich eingeladen ist er auf jeden Fall. Das Thema der Diskursethik ist nämlich hoch aktuell vor allem in der Politik. Wie darf und kann ich in einer Diskussion mit einem Chinesen meine Werte einbringen und versuchen ihn von diesen Werten zu überzeugen? Ist es wirklich mein Recht, meine Werte als wahr oder richtig anzusehen?