Di, 11.01.2005

Vorbereiteter Konzertbesuch von knapp 40 Schülern in der alten Oper Frankfurt: Moderne mit Steve Reich

Besuch eines Konzertes mit Musik von Steve Reich in der Alten Oper

Ein leises Vibrieren, ein Pulsieren des Metrums, eindringlicher, geradezu extatischer Rhythmus, dies ist, was ich bisher über die Musik der minimalistischen Komponisten gehört hatte und meine bisherigen Erfahrungen von Aufnahmen her schienen dies auch durchaus zu bestätigen. Was wir jedoch an jenem Abend des 12. Januar in der alten Oper erleben durften überstieg meine kühnsten Erwartungen. Unter Federführung des Ensembles Modern hörten wir ein Potpourri aus all der Musik, die das künstlerische Schaffen des Amerikaners Reich ausmacht. Zunächst jedoch lauschten wir einer Konzerteinführung mit Steve Reich, der als Verkörperung des amerikanischen Traums stilecht mit Baseball-Kappe erschien. Er erzählte uns vor allem von seiner neuesten Komposition, „You Are“, welche hier in der Alten Oper ihre europaweite Erstaufführung feiern sollte.

Doch zunächst hörten wir das ursprünglich für Oktett geschriebene, hier jedoch in einer erweiterten Fassung vorgetragene Stück „Eight Lines“, welches im Allgemeinen immer als sehr am Jazz orientiert bezeichnet wird. Diesem Eindruck konnte ich mich nur sehr deutlich anschließen. Die mitreißende und sehr klare Rhythmik, aber auch die in diesem Werk sehr deutlich erkennbaren melodischen Linien machten bereits diesen Entr’acte zu einem Erlebnis. Das Ensemble Modern spielte souverän und mit großer Spielfreude. (Wahrscheinlich ist das in Frankfurt ansässige Ensemble eines der wenigen die eine solche große Dynamik und Fantasie in die doch nicht immer sehr leicht mitzuhörenden Stücke der neueren Musik zu bringen vermag).

Anschließend hörten wir das bereits aus dem Musikunterricht bekannte Vokalstück „Tehillim“, in welchem Reich Psalmen in hebräischer Sprache vertont und so eine Hommage an seine jüdische Vergangenheit liefert. Die Musik ist stark durchsetzt von afrikanischer Perkussion und ständigen rhythmischen Wechseln. Sehr auffällig ist hier die überaus optimistische Grundhaltung, welche ganz besonders im Finalsatz (einem strahlenden Halleluja) zur Geltung kommt.Nach der Pause hörten wir das ebenfalls für Gesangsstimmen und Orchester komponierte Stück „You Are“. Das für hohe Bläser, vier Flügel, Schlagwerk, Kammerchor und Streicher besetzte Stück ist ein Werk, das Reich an den Anfang seines Schaffens zurückträgt. Begonnen in den 60er Jahren experimentiert er mit kleinsten rhythmischen Motiven, so genannten Patterns. Dieses Prinzip wird in den „You Are“-Variationen (welche im Übrigen nur im Entferntesten und mit sehr genauem Zuhören an eine Variationsform erinnern) übernommen. Die hier verwendeten Texte sind in der Regel winzige Fragmente aus nur wenigen Worten, welche aber durch kunstvolle Verknüpfung, durch Elektronik bedingte Verzerrung und starker Rhythmisierung weit über die Ebene des gesprochenen Wortes hinausreichen. Interessant an diesem Stück war jedoch auch, dass Reich hier mit einem vollkommen unüblichen Ausdrucksmittel arbeitet: Keine rauschenden Rhythmen, keine lauten Töne, sondern ganz einfach immer wieder Sekunden der Stille. Das Publikum merkte nicht, dass diese immer wieder eingefügten Generalpausen beabsichtigte Unterbrechungen waren und quittierte diese mit lautem Klatschen, zerstörte damit jedoch natürlich vollkommen den beabsichtigten Effekt. Besonders faszinierend war das Ende der Variationen. Ohne vorheriges Anzeichen endete das Stück mitten im rhythmischen Fluss mit einfacher Stille. Man meinte förmlich die Musik im Vibrieren der Luft noch weiter zu spüren.

Der anschließende Applaus, nun endlich an der angemessen Stelle, war deutlich und lange; bei einem solchen begeisterndem und mitreißendem Programm konnte auch mich nichts mehr halten. Die Standing Ovations hatten die Interpreten und der Komponist für diesen außergewöhnlichen Abend mehr als verdient.