Mo, 10.07.2006

Theater an der ISH: „Der Widerspenstigen Zähmung“ von Shakespeare

Welch ein großartiges Theater: Die Theatergruppe „Opfer des Über-Ichs“ unter der Leitung von Herrn Dr. Müller führte am 11. und 12. 07. 2006 William Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ („The Taming of the Shrew“) auf. Da man bereits einige Monate zuvor der Darbietung des „Misanthrope“ mit bewundernder Begeisterung beigewohnt hatte, waren die Ansprüche nicht gerade niedrig; ferner handelte es sich in diesem Fall um eine Komödie – aber sollte sie schließlich nicht viel mehr zu bieten haben?

So erzählt „Der Widerspenstigen Zähmung“ von Shakespeare vom jungen Lucentio (Sebastian Seifert), der mit seinem Diener Tranio (Merlin Bergmann) nach Padua reist, wo sein erster Blick auf die liebreizende Bianca (Marianna Pruchnitzkaja) fällt. Hier ergibt sich jedoch der Haken, dass deren Vater Baptista Minola (Dominik Müller) erst dann seine favorisierte jüngere Tochter Bianca verheiraten will, wenn auch für die Ältere, Katharina (unglaublich authentisch und expressiv: Laura Kuhl), der Passende gefunden worden ist. Dies gestaltet sich insofern als ein schwieriges Unterfangen, als Katharina, die Widerspenstige (und hier widerspenstig bis in die Haaresspitzen) als äußerst impulsive Schreckschraube – ‚shrew’– gilt; so stand jene auch schon Gremio (unübertrefflich: Anna Várnai) und Hortensio (Garry Spanz überzeugt gleichsam) im Wege, welche ebenfalls den Wunsch hegen, Biana zu ehelichen. Ergo beschließen sie, einen Mann für die Widerspenstige zu finden – da kommt Petruchio (Torsten Schätzle besticht durch exzellentes, männliches, Schauspiel, wobei Saskia Ott als sein Diener dem in nichts nachsteht) gerade recht. Er heiratet Katharina und unterzieht sie einer ungewöhnlichen „Zähmungskur“, die sie am Ende zu der sanftesten Ehefrau der Welt macht. Nach Rollentausch und amüsanten Verwechslungsspielchen gelingt es Lucentio dann, Biancas Herz tatsächlich für sich zu gewinnen.

Ein derart frauenfeindliches Stück? Wohl kaum. Denn Petruchio ist trotz aller Grobheit ein Partner für Katharina, der eine spannungsvolle und entwicklungsoffene Partnerschaft verheißt, zumal seine Grobschlächtigkeit von äußerst divergenten Perspektiven aus zu betrachten ist. Wird er doch selbst zur ‚shrew’ und hält seinem weiblichen Gegenüber einen Spiegel vor, u. a. durch Umkehrung von Tatsachen sowie bewusstes Theaterspielen. Und jenes Verhalten trägt seine mitunter extremen Früchte: „…nur eins bringt Segen: / Die Hand dem Mann unter den Fuß zu legen“, proklamiert es die Widerspenstige, kann überzeugen und geht letztlich als wahre Gewinnerin hervor. Und vielleicht lässt sich daraus ja auch lernen, dass man bei Partnerschaft und Liebe stets den Fokus auf das Zusammenspiel richten sollte; an der Liebe muss man arbeiten und muss ergo gleichsam bereit sein, den eigenen Stolz an zweite Stelle zu setzen. Für die Partnerschaft, das Gemeinsame.

Ebendieses Gemeinsame wurde auch in der darstellenden Theatergruppe offenbar, sodass eine außerordentliche Atmosphäre entstand: Das Publikum wurde mitgerissen vom Wortwitz – selten haben wir so herzlich gelacht-, der genialen Einflechtung vom englischen Original, Italienisch, Latein, vorderhand jedoch der überwältigenden Präsentation.
Überwältigend waren sie alle, überwältigten uns als Publikum mit ihrem Schauspielkönnen und spielten sich förmlich die Seele aus dem Leib – oder spielte man sich sogar selbst? Denn niemals hätten die Darsteller besser zu ihren Rollen gepasst, diese derart verkörpert; und niemals hätte eine Aufführung besser sein können als diese! Allein, es verbleibt der währende Eindruck dieses grandiosen Spektakels, verbunden mit der Hoffnung, nur annähernd Gleichwertiges noch einmal erleben zu dürfen – standing ovations für die „Opfer des Über-Ichs“!