Di, 28.04.2009

Tagung des Kuratoriums der ISH auf dem Hansenberg; im Anschluss Diskussion der Kuratoriumsmitglieder mit Schülern der Jahrgangsstufe 12 über die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise

Herr Ulrich Sieber, Commerzbank-Bereichsvorstand Perso-nal, zu Gast in der Klasse 12 d, Politik und Wirtschaft
Mittwoch, 29. 4. 2009, 11:10 – 12:20 Uhr, ISH, R. 2.02

Herr Sieber wird vom PW-Lehrer Leo Kauter und den beiden Gesprächsleitern Christoph Dorn und Amin Kachabia in der Klasse 12 d begrüßt.

In seinem Eingangsstatement erläutert er, wie in den letzten Jahrzehnten die vornehmlich der elektronischen Datenverarbeitung zu verdankenden Rationalisierungsmöglichkeiten das tradi-tionelle Bankwesen verändert haben: Während die Kontoführung im Privatkundengeschäft inzwischen annähernd kostenfrei für den Kunden ist, spielen Verwaltung, Zusammenführung und Bearbeitung von Kreditpaketen im Investmentbereich eine zunehmend wichtigere Rolle. Herr Sieber betont, dass die hierin liegenden Möglichkeiten, Risiken zu streuen, wichtig für einen funktionierenden Kreditsektor seien, und rekapituliert in diesem Zusammenhang die bekannten Faktoren, die zur Entstehung der Finanzkrise aus der Bündelung notleidender Kre-dite und deren Übergreifen auf die Realwirtschaft geführt haben. Er weist darauf hin, dass kreditfinanziertes Konsumverhalten wie auch mangelndes Risikobewusstsein in der gesamten Gesellschaft im Nachhinein zwar als Krisenursachen gegeißelt werden, dass aber andererseits billige Kredite weiten Bevölkerungskreisen erstmalig die Möglichkeit zu Immobilienbesitz geboten haben.

In der anschließenden Diskussion werden zunächst die Funktion der Börse und die Motivation der dort tätigen Akteure thematisiert, wobei Herr Sieber zwischen semiprofessionellen und professionellen Anlegern unterscheidet und die populistische Übertonung der Boni in der öffentlichen, vor allem medialen, Diskussion bedauert. Betont wird die rationale Orientierung der marktwirtschaftlich Agierenden am Eigeninteresse, die eine Rationalität des Börsengeschehens in dem Sinne zur Folge habe, dass die Börse (zutreffende oder nicht zutreffende) Erwartungen in die Zukunft abbilde. Erneut werden hier die Bedeutung des Eigeninteresses für die Kreativität und Dynamik des Wirtschaftsprozesses betont wie auch die (neben den Banken) entscheidende Bedeutung der Börsen für die Kapitalbeschaffung der Unternehmen hervorgehoben.

Was die gegenwärtig zu erwartenden stärkeren politischen Eingriffe in die Wirtschaft angeht, so wird ein differenzierter Umgang mit Regulierungen eingefordert: Während in manchen Bereichen laxe Bilanzierungsvorschriften durchaus einen krisenfördernden Effekt hatten, gebe es in anderen Gebieten nach wie vor eine zu starke Regulierungsdichte. Staatsgarantien im Bankensektor seien hilfreich, um das Kreditwesen wieder anzuschieben. Auch müsse beim Kreditgeber das Bewusstsein sich wieder einstellen, dass höherer Zins immer höheres Risiko bedeute.

In der öffentlichen Diskussion um Steueroasen sieht Herr Sieber ebenfalls die Gefahr populis-tischer Effekthascherei: In Zeiten weltweit sich öffnender Märkte und konkurrierender Volkswirtschaften und Steuerkonzepte seien hier kaum erfolgversprechende politische Ein-schränkungen möglich.

Abschließend bedanken sich Christoph Dorn und Amin Kachabia im Namen der Klasse für die freundliche Gesprächsbereitschaft und den regen Meinungsaustausch.