Mi, 26.04.2006

Sofies Welt – ein philosophischer Theaterabend mit Schwung

„Wer bin ich? Was kann ich wissen? Was ist eigentlich gut und böse? Gibt es einen oder wirklich viele Götter?“ Fragen über Fragen quälen die 14-Jährige Sofie Amundsen. Ähnlich wie die Zuschauer etwa gleichen Alters vom Hansenberg?

Die Philosophiekurse Kl. 11 reisten („Der Weg ist das Ziel?“) als Initiative von Dr. Peter Mazanek und Paul Rauh am Abend des 27. April 2006 in das gemütliche Studio des Staatstheaters Wiesbaden. Dort erwartete die Philosophie-Interessierten ein gläsernes Labyrinth symbolischen Charakters und viel ungewohnte „Action“ der Heroen der Philosophiegeschichte. So stritten etwa Platon und Aristoteles über das „wahre Seiende in der Welt“: Sind es die Ideen oder die Natur? Was ist der „Urstoff“ von allem? Lautstark ereiferten sich darüber Thales von Milet und Heraklit. „Alles fließt!“ war sein abschließendes Credo. Demokrit dagegen kam überraschend mit einem Legostein und versuchte „als großer Spieler“ uns zu überzeugen, die Welt sei aus „Atomen“ aufgebaut. Im Streit lagen aber auch die „Urelemente“ Wasser, Luft und Erde, oder aber der „Geist der Götter“ als letzter Urstoff. Keiner gab nach! Jeder wollte Recht behalten!

Beeindruckend der pompöse Auftritt des Kirchenvaters Aurelius Augustinus. „Ich bin mir selbst zur Frage geworden!“ Abrupt unterbrochen wird sein theologischer Redeschwall von Rene Descartes, der zur Raison „der wahren, weil radikalen Zweifel-Wissenschaft“ ruft: „Cogito ergo sum!“ Und so ging es dann munter weiter, Hegel versus Marx, Berkeley versus Kant, und Nietzsche gegen Alle! „Gott ist tot! Und wir haben ihn gemordet!“ Besonders amüsant: Rotkäppchen, die bekannte Grimmsche Märchenfigur setzt Immanuel Kants Kategorischen Imperativ sofort kreativ um: „Wenn ich nicht den Wolf fresse, frisst der Wolf auch nicht mehr mich!?“

Die Theaterbühne bietet Möglichkeiten, die der berühmte Roman des Norwegers Jostein Gaarder nicht hat. Die Geschichte der Philosophie wird – wiederum symbolisch angedeutet – gespielt als Ereignis in zwei Welten: der imaginär-fiktiven Welt der Theaterfigur Sofie Amundsen in der glaslabyrinthischen Bühne, und vor der Bühne beim scheinbar „realen Publikum“. Dort spielt die 14-jährige Schülerin Hilde Möller-Knag, die wiederum als „real-fiktive“ Person eine „innere Spiegelung“ des Geisteszustandes von Sofie ist. Parallel dazu spricht im Hintergrund der Bühne „erhaben“ ein geheimnisvoller Erzähler, ein fiktiver norwegischer Major der UNO-Truppen, der vorgibt ein Buch namens Sofies Welt als Geschenk an seine Tochter Hilde zum 14-Jährigen Geburtstag zu Hause in Norwegen zu schreiben. Der fiktive Erzähler ohne Namen berichtet, dass das Buch Sofies Welt und die darin auftauchenden Charaktere samt der fiktiven „Lehrbriefe in Philosophie“ eigentlich auch nur eine Phantasieerfindung des realen Schriftstellers Jostein Gaarder seien. Sie alle, die fiktiven Philosophen, Sofies „Lehrer“ Alberto Knox, Sofie und Hilde und die anderen Charaktere sind doppelte Spiegelungen eines Spiels mit Fiktion, Illusion und Realität. Diese drei Ebenen, Hilde (scheinbar reale Person „vor der Bühne“), Sofie (Fantasieprodukt des Erzählers in der Erzählung „auf der Bühne“) und dem real lebenden norwegischen Erfolgsautor J. Gaarder (und das reale Publikum im Studio) werden hervorragend herausgearbeitet.

„Was ist wahr? Und was ist Illusion?“ Hat also Parmenides Recht? „Das Sein ist!“ Oder Heraklit? „Alles ist eins!“ Oder hatte über die „Bühne des Lebens“ William Shakespeare die tiefste Einsicht: „All the world is a stage, and we are all but actors, having our entrances and our exits!“ Oder bescheiden wir uns besser Sokratisch-demütig? „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Denn wahrlich, keiner ist weise, der nicht auch das Dunkel kennt…? Wir Hansenberger fühlten uns jedenfalls amüsant erhellt.