Mi, 18.04.2012

Shakespeare in Frankfurt: „Der Kaufmann von Venedig“

Die Frankfurter Inszenierung von „Der Kaufmann von Venedig“ von William Shakespeare beginnt mit der Darstellung einer Beschneidung. Dabei wird nicht der Text Shakespeares gesprochen, sondern Kafkas „Vor dem Gesetz“. Schon in diesen ersten Minuten wird deutlich, dass es sich wohl kaum um die vertraue Handlung des „Kaufmanns von Venedig“ handelt, in der Antonio, der Kaufmann, seinem Freund Bassanio Geld leiht, damit dieser um eine Frau werben kann. Um Bassanio zu unterstützen, muss sich Antonio beim jüdischen Geldverleiher Shylock Geld leihen, der als Sicherheit ein Pfund Fleisch von Antonio verlangt, falls dieser das Geld nicht rechtzeitig zurückzahlt. Dieser willigt ein, da er erwartet, dass mehrere seiner reich beladenen Handelsschiffe in Kürze ihr Ziel erreichen werden. Das Drama zeigt daraufhin die Geschichte der Werbung Bassanios um seine Angebetete, doch es ist offensichtlich, dass der Schwerpunkt des Regisseurs Barrie Kosky ein anderer ist: der europäische Antisemitismus. Während der dreistündigen Aufführung werden immer wieder Arien von Richard Wagner, der bekannter Antisemitist war, eingebaut und Shylock, der Jude, rückt ins Zentrum der gesamten Handlungen. Zudem wurde ein antisemitische Hetzrede von Martin Luther eingebaut und von all den Frauen, die in dem ursprünglichen Drama Shakespeares erscheinen, bleibt nur Jessica, Shylocks Tochter, erhalten, da diese eine Liebesbeziehung mit einem Christen eingeht. Da Antonios Handelsschiffe jedoch verschwinden, ist er nicht in der Lage, seine Schulden zu begleichen. Shylock, der auf sein Recht pocht, möchte unter keinen Umständen auf das eine Pfund Fleisch verzichten. Vor Gericht bekommt er das eine Pfund Fleisch zugesagt, jedoch keinen Tropfen Blut. Shylock, der all seine Güter abgeben muss, da er nach dem Leben eines anderen trachtete, kann sich nur noch retten, indem er zum Christentum konvertiert. In der letzten Szene macht Shylock selbst mit Nadel und Faden die Beschneidung aus der ersten Szene rückgängig. Dabei zitiert er wieder Kafka, jedoch dieses Mal „Der Geier“.

Insgesamt bietet das Frankfurter Schauspielhaus eine eindrucksvolle Inszenierung, die durch ein imposantes Bühnenbild, bemerkenswert gut ausgewählte Fremdtexte und grandiose Schauspieler verstärkt wird.