03. - 12.05.2009

Projektfahrt 13.3 nach Marzabotto / Norditalien: Nachklang des Nono-Projektes

„Nicht schon wieder zwanghaft gedenken müssen“: Das erhoffte sich Theresa Maier von unser Fahrt nach Monte Sole. Mit ZiVi Nikolai Moser, der uns durch die Orte des Massakers von Marzabotto führte und uns die schrecklichen Ereignisse mithilfe von Zeitzeugenberichten näher brachte, waren wir uns im Gespräch schnell darüber einig, dass Gedenken eine sehr individuelle Sache ist. „Ohne es uns aufzwingen zu müssen, wurden wir alle sehr still, nachdenklich“, schreibt Theresa weiter und fragt sich, wie Menschen derart grausam sein können. Dieser Frage gingen wir in der Scuola di Pace zusammen mit Nikolai nach. Aus den Begriffen, die uns zum „Warum“ einfielen, macht Ann-Kathrin Gerding folgenden Text:

Gedenken

Erstickt sein vom tiefsten Hass und aufwirbelndem Staub.
Abweisende Distanz zu den Tätern und spürbare Nähe zu den Opfern.
Es sind so viele.
Sprachlosigkeit zum Geschehenen, totale Fassungslosigkeit.
Die meisten sind schuldlos.
Wer kann noch hoffen?
Hoffnungslosigkeit.
Trauer und absolutes Mitgefühl mit den Betroffenen.
Eine Art Hilflosigkeit.
Ekel vor den grausamen Taten, man kann es einfach nicht glauben, nicht begreifen.
Man fühlt die Einsamkeit und verspürt greifende Angst vor der Zukunft.
Was passiert als nächstes?
Ist es Schicksal?
Was macht Menschen zu solchen Bestien?
Warum?

Theresa führt ihre Gedanken zum Warum genauer aus. „Das Warum einer solchen Tat kann nur annähernd beantwortet werden, wenn man berücksichtigt, welche äußeren Einflüsse auf die Soldaten gewirkt haben. In unseren Gesprächen wurde deutlich, dass diese Faktoren, welche die Menschen damals zu Bestien machten, auch uns bekannt sind und heutzutage immer noch großen Einfluss haben. Doch nur, wenn wir uns des Warums bewusst sind, können wir verhindern, dass so etwas erneut stattfindet.“

„So etwas“. Das Massaker von Marzabotto ging als eine der größten Gräueltaten der Nazis in die Geschichte ein. Gedenken bei Daniela Schwarz vollzieht sich zunächst über das Bewusstwerden der historischen Kontexte: „Was habe ich über die Geschichte dieses Massakers verstanden?“ Zwischen dem 29. September und dem 05. Oktober 1944 zerstörte die deutsche Wehrmacht die gesamte Region und tötete etwa 800 Zivilisten – darunter beinahe ausschließlich Frauen und Kinder (von der SS in den Verlustberichten als „Banditen und Bandenhelfer bezeichnet).

Der Anschlag fungierte als Strafaktion gegen die Partisanengruppe „Stella Rossa“ unter der Führung von „Lupo“ – dem Wolf, die gegen die deutsche Besatzung kämpfte. Der etwa vier Kilometer lange Rundgang durch die Gemeinde zeigt (teilweise nachgebaute) Ruinen von Kirchen und Häusern, deren Anblick einen in die Angst der Opfer versetzen, wie Hanna Schlösser festhält: „Wir gingen nun den selben Weg, den auch die Opfer kurz vor ihrer Tötung gehen mussten, zu einem kleinen Friedhof. Nur etwa zweihundert Meter sollten ihre letzten Schritte sein. Selbst am Ort des Geschehens konnte ich die Grausamkeit der Ereignisse nicht begreifen. Können Worte überhaupt nur ansatzweise schildern, was passiert ist?“

Auch Charly Katzer und Tabea Bauermeister konnten keine Worte finden. Sie benutzten deshalb die der Zeitzeugen: „Als ich ankam“, beschreibt Cornelia Pasetti, damals 18 Jahre alt, die Geschehnisse, „sah ich alle Leute tot auf dem Feld liegen. Ich sah das Schaf geschlachtet, voller Blut, und ich weinte und weinte, zuvor hatte ich nicht weinen können. Als ich das Schaf sah, begriff ich, dass dies das Ende war. Ich ging schluchzend zurück – für mich war alles tot. Ich erreichte Casa Veneziani und auch dort waren alle tot.“

Auch Lukas Tielsch, Moritz Berker und Fritz Faust gedachten. Allerdings etwas lauter. Ihre Form des Gedenkens befindet sich hier (Video kommt demnächst).

Was bleibt? Wir fanden keine zufriedenstellende Antwort auf das Warum, aber gedachten auf unsere Weise. Annika Enders fasst die Woche zusammen.

Das Marzabotto-Alphabet:

Anka und Annika, attraktiv und atemberaubend
Boss Bianca Schwindt
Charly, charmant, chic und chaotisch
Daniela, dreist und doch interessiert
Emilio Toledo – einfach ohne Worte
Fritz, fröhlich und permanent am Flöten
Grauen, Gewalt und Gedenken
Hanna handelt gekonnt die Kamera
Interesse, Irrsinn
Jammer
Kummer, Krieg, Katastrophe
Lukas, Lebenspartner von
Moritz, Meister von Marzabotto
Nikolai, neugierig
Ohnmacht
Pizza, Pasta
Qualen
Risotto
Schrecken, Schicksal
Tabea, teesüchtig, Theresa, tollpatschig
Unvernunft, Unglück, unvergessen
Völkermord, Verachtung
Wut
XYZ

Die Projekt-Gruppe 13.3



Bolognafahrt

Es war strahlender Sonnenschein, als die Reisegruppe von 11 Touristen und einem eingefleischten Italiener mit leichtem spanischen Akzent am Bahnhof von Bologna anlandete. Erste Navigationsversuche in der charakteristischen Straßenlandschaft rund um den Hauptbahnhof führten dazu, dass wir uns die Front des Bahnhofs gleich zweimal ansahen. Doch nun war unser regionsfremder Stadtführer nicht mehr zu bremsen: Unsere Gruppe zum Stadtzentrum durchfragend führte Dr. Toledo uns zunächst an einer wunderschönen Treppe mit Brunnen vorbei, die zu einem Park hinaufführte. Sogleich stürzten sich die Fotografierbegeisterten auf dieses gefundene Fressen, auch Gruppenfotos wurden gemacht.

Über die arkadengesäumte Hauptverkehrsstraße liefen wir nun vorbei an interessanten Geschäften auf den Kern der Stadt, die Piazza Maggiore zu. Sogleich fanden wir uns vor einer überlebensgroßen barocken Poseidonstatue wieder, deren völlige Entblößtheit unserem Stadtführer Gelegenheit zum Geschichtenerzählen bot.

Auch die Fassaden der umliegenden Bauten wurden genauestens erläutert und anhand des Reiseführers verifiziert. Nach der Feststellung, dass das große Gebäude auf dem Bild links hinten zu den größten Kirchen (Zitat: „das sind die, bei denen ein Pfarrer der Chef ist“) der Welt gehört, wurde schnellstens der autokratische Beschluss gefasst, das Gebäude andachtsvoll einmal zu umrunden. Die aus Geldmangel nicht in ursprünglich geplanter Perfektion vollendete Fassade der Basilika San Petronio verleiht ihr einen besonderen Charme. So fügt sie sich sehr gut in die Rottöne bolognesischer Baukunst ein, die, wie uns der Stadtführer versicherte, nicht durch einen Anstrich entstehen, sondern einfach aus der natürlichen Farbe des verwendeten Sandsteins resultieren. Sogleich ging die gesamte Gruppe ins Innere des Bauwerks, um neben den sakralen Innereien auch das Foucaultsche Pendel zu bestaunen, dass man hier installiert hatte. Mithilfe dieses physikalischen Experiments gelang es erstmals dem französischen Physiker Jean Bernard Léon Foucault, die Drehung der Erde nachzuweisen.

Weitere äußerst interessante Sehenswürdigkeiten innerhalb der Basilika waren äußerst große Gesangsbücher mit Mensuralnotation wie auch eine beängstigend vielfältige Reliquiensammlung. Die nun folgende spontane Route führte durch schmale Gässchen (liebevoll als „Fressgassen“ bezeichnet), in denen es viele Nahrungsmittel zu kaufen gibt. Die Fischmärkte lieferten neben dem typischen Geruch leider nicht die geforderten Austern, nach denen es unseren Stadtführer gelüstete. Weiter ging es neben vielen Filialen der touristischen Restaurantkette „Abzocke“ wieder zurück auf eine vielbefahrene Hauptstraße. Ein Blick nach rechts, der eigentlich der Absicherung zur Überquerung galt, offenbarte das Wahrzeichen Bolognas: Die beiden Türme Asinelli und Garisenda. Diese sind als einzige in ihrer vollen Höhe nach dem 2. Weltkrieg erhalten. Der höhere der beiden ist laut Reiseführer etwa 55 Meter hoch und wurde sogleich bestiegen. Die abenteuerliche Treppenführung, die an ein improvisiertes Baugerüst erinnert, wurde überrauschenderweise von allen Mitgekommenen gemeistert, obgleich die Schieflage der Treppen nicht nur von der Schieflage des gesamten Turmes kommen konnte. Wie uns unser Stadtführer berichtete, galt es als ein Zeichen der Macht, sich von der simplen stabilen Bauweise abzuwenden und stattdessen gekonnt schief zu mauern. Das scheint jedoch auch notwendig zu sein, sieht man sich nebenstehende mittelalterliche Malerei der Stadt an.

Das Stadtzentrum kam damals auf die stolze Zahl von sage und schreibe 180 Türmen, die von reichen Adelsfamilien errichtet wurden. Von der Spitze des Turmes hatte man jedoch eine geradezu atemberaubende Aussicht auf die mofagespickte Metropole in der Emilia Romagna, atemberaubend ausdrücklich nicht nur wegen der Abgase.

Nach den üblichen Fotografiereskapaden, die sich auch über den Abstieg hinzogen, war man endlich wieder auf festem Boden angelangt und beschloss, die Stadt in kleinen Grüppchen zu erkunden.

Die persönliche Erfahrung der Autoren reichte leider nicht aus, um ein angesteuertes Restaurant als Mitglied der oben erwähnten Kette zu identifizieren, und so wurde aus der obligatorischen Tagliatelle Bolognese doch eher ein Tagliatellchen Bologneschen ohne Trinkgeld.

Ganz überwältigt von dem mediterranen Großstadtflair oszillierten wir zwischen Innenstadt und Bahnhof noch mehrfach hin und her, auf der Suche nach einer Eisdiele, bei der wir nicht so wie beim Restaurant hereinfielen. Dabei gelangten wir auch unter anderem in den „Park“, auf dessen Treppe wir uns bereits am Vormittag abgelichtet hatten. Es stellte sich jedoch heraus, dass diese Treppe auch schon den schönsten Teil dieser innerstädtischen Quelle der Ruhe darstellte, wie auch die eingeworfenen Scheiben und die massiven Graffitis bei einem Gebäude innerhalb der Rasenflächen klarstellten, von dem sich herausstellte, dass es eine Schule war (Zitat: „Guck mal, das Treppenhaus hat kein Dach“). Bestürzt machten wir uns lieber wieder auf zur Piazza Maggiore, bei der wir uns schnell in eine Eisdiele in Sichtweite zu unserem Restaurant von vorher einfanden. Das Eis war sehr lecker, und positiv überrascht saßen wir noch eine Weile beisammen, bis unser Stadtführer auf uns stieß und wir uns gemeinsam auf den erneuten Weg zum Bahnhof machten.

Dort angelangt war es zwei Gruppenmitgliedern vorbehalten, nach dem betreffenden Gleis zu suchen, dessen Auffindung sich schwieriger als erwartet gestaltete. Zunächst gingen diese fast einen Kilometer in die falsche Richtung, wobei ein Ende des Bahnsteiges nicht in Sicht war. Von dort aus ca. 1500 Meter in die entgegengesetzte Richtung fand sich dann aber doch das Gleis der Regionalbahn, die uns zu unserem Heimatort zurückbrachte.

So ging ein erlebnisreicher Tag zu Ende, bei dem wir ein positives Bild von dieser Stadt bekamen.Allein der Tatsache, dass sich permanente Beschönigungen nicht gerne lesen, ist es zu verdanken, dass unser Bericht hier eher ironisch ausfiel.

Lukas Tielsch, Moritz Berker, Fritz Faust, alle 13c