Mo, 06.07.2009

Neil Simon – Ein ungleiches Paar

„Bitte, lieber Gott, mach dass sie den Mund hält. Sag ihr sie soll still sein, bitte, lieber Gott…“

Frankfurt der Gegenwart: „Zu einer miesen Ehe gehören immer zwei,“ weiß die in Scheidung lebende Sportreporterin Ella (Svenja Klinsing) ihre gerade von ihrem Mann verlassene Freundin Felicitas (Lara Gärtner) zu trösten, als diese während der wöchentlichen „Trivial Pursuit“-Runde der Mädels-Clique zu kollabieren droht. Ausnahmen bestätigen jedoch bekanntlich die Regel. Ella, nachdem sie die Freundin wie selbstverständlich bei sich einquartiert hat, muss bald erkennen, dass Felicitas‘ Gatte durchaus seine Gründe hatte, sein Stoßgebet gen Himmel zu schicken. Er selbst mochte wohlmöglich ein „1,60 m großer, glatzköpfiger Cowboy mit einem zwei Nummern zu großen flokatiartigen Toupet“ sein (den Angaben seiner Frau zufolge sieht er so aus wie ein ungarischer Hirtenhund), seine Frau allerdings noch weit mehr als die von Ella bereits erwartete „Landplage“. Felicitas röhrt wie ein Elch, klagt unentwegt über irgendwelche Wehwehchen und putzt in einem fort, um aus Ellas geliebtem Apartment innerhalb kürzester Zeit ein „Schmuckstück wie aus ‚Schöner Wohnen’“ zu machen. Ihrer Gastgeberin jedoch „reicht die Sportbild völlig“.

Sogar der toleranten Renée (Dana Löw) wird es bei einem der Spieleabende der Freundinnen zu viel. Sie muss nicht nur feststellen, dass die putzwütige Hausfrau die Frage-Karten des Spiels desinfiziert hat, sondern bangt Angesicht zu Angesicht mit dem neuen Bio-Luft-Ionisator bereits um ihn Leben. Ella hat darüber hinaus ganz andere Probleme. Zwei äußerst attraktive Spanier, Manolo und Jesus Costazuela (Daniel Merten, Moritz Ries), drängen schon lange auf eine Verabredung. Bei zarten Anbandelungsversuchen erweist sich die biedere Felicitas als Klotz am Bein und Ella sieht ihr Liebesleben ernsthaft in Gefahr. Ihre Freundinnen kann sie nur beneiden. Renée hat einen Gynäkologen an der Angel, die Polizistin Michaela (Tisa Bertlich) ist immerhin noch Gegenstand der „perversen Fantasien“ ihres Mannes, die naive Vera (Deliah Macht) orientiert sich ganz an ihrem Thomas – durchaus mit Zufriedenheit – und die zynische Silvia (Vera Kleene) hält für den Damenzirkel bis zum Schluss ein süßes Geheimnis bereit.

Eigentlich hatte sich Ella nach der Trennung von ihrem nichtsnutzigen Mann nur etwas Abwechslung von der an ihr nagenden Einsamkeit erhofft. Diese Abwechslung artet jedoch schnell in ein verbittertes Kräftemessen zweier starker Persönlichkeiten aus. Die Frauen sind gegensätzlicher als vermutet. Während Felicitas wie gewohnt das Heimchen am Herd zu geben beabsichtigt und auch die gewohnte Anerkennung erwartet, gibt Ella, die sich ihren gewohnten Lebensstil nicht so schnell mies machen lassen möchte, umso trotziger den faulen Messy. Das Unglück nimmt seinen Lauf…


Pinguin-Sex und schimmlige Toasts, Fesselspielchen und ein „falscher“ Jesus – das hatte der Hansenberg noch nie – obwohl von verschiedenen Ensembles schon Vieles und durchaus auch viel Verschiedenes geboten worden ist. Mit Neil Simons „Ein ungleiches Paar“ wagt sich Gerhard Müller, Leiter sämtlicher Theater-AGs der Schule, erstmals an ein völlig neues Genre, den Boulevard. Dafür hat er nicht nur eine fast ausschließlich aus unerfahrenen Schüler/Innen bestehenden Schauspieltruppe, sondern darüber hinaus Simon Geißen, selbst bereits auf der Bühne bejubelt und zum Zeitpunkt der Aufführung schon ehemaliger Schüler, zur Unterstützung um sich versammelt. Die beiden haben vorzügliche Arbeit geleistet. Ihrer Truppe gelingt es, die feine Komik der kleinen und großen Tragödien des Alltags ganz unverblümt zu offenbaren. Selten hat unsere Aula(/Turnhalle!?) einen solchen Angriff auf die Lachmuskeln der Anwesenden erlebt. Wer – wie ich – mehrere Aufführungen des Stücks erleben durfte kann verblüfft berichten: Die Witze zünden auch jedes Mal aufs Neue. Es ist also keine Überraschung, dass sich Regisseur, Technik etc. bei jedem Auftritt bereits vor der eigentlichen Pointe kichernd die Hand vor den Mund halten.

Neben schnellem verbalem Schlagabtausch für die Ohren wurde dem Zuschauer bei dieser Inszenierung zudem besonderer Schmaus für die Augen geboten. Aufwändig wurden unter Anleitung von Viola Gräser und unter Mitwirken der gesamten Gruppe große Leinwände beidseitig bunt bemalt. Nach und nach entstand mit diesem professionellen, drehbaren Bühnenbild Ellas Wohnung vor bzw. nach Felicitas‘ Einzug.

Wer der Abend mit der Erwartung antrat, dem Stück tiefschürfende Erkenntnisse (etwas Wegweisendes, Moralisches, … eine Offenbarung?) zu entnehmen, der muss enttäuscht werden. „Ein ungleiches Paar“ ist nicht bedeutungsschwanger, es verspricht einfach einen gelungenen Abend, Ablenkung und in erster Linie Spaß. Auch wenn einem die eigene laute, alberne Lache abends im Bett vielleicht peinlich erscheint, für einen Blick in Veras große erstaunte Augen, wenn Silvia sie als Wirbeltier mit dem geringsten Gehirnvolumen im Verhältnis zu seinem Körper entlarvt, oder für Renées vor lauter gereinigter Luft heraushängende Zunge, für die feurigen Blicke der etwas tölpelhaften Spanier, die unter die Haut gingen, oder allein für einen einzigen „Die-Ohren-frei-Puster“ von Felicitas hat sich der Besuch der Theateraufführung gelohnt.

Wir freuen uns also auf den nächsten Streich von Herrn Müller und lange warten müssen wir dafür nicht. Im September stehen Schüler/Innen der 12. und 13. Jahrgangsstufe gemeinsam mit Shakespeares „Maß für Maß“ auf der Bühne.