Mi, 20.02.2013

Klingende Weltgeschichte – Wagner und das Judentum

Die einen sehen ihn als begnadeten Komponisten, mit dem die musikalische Moderne in Deutschland anbricht, andere halten ihn für einen radikalen Sozialrevolutionär der Revolution von 1848 und für wieder andere stellt er das verhängnisvolle Fundament für die Rassenlehre der NSDAP dar – doch wer war er wirklich, der außergewöhnliche Sachse Richard Wagner?

Geboren zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Leipzig, entdeckt Wagner bereits in jungen Jahren seinen Faible für die Musik und beschließt später selbst Komponist werden zu wollen. Ab seinem 21. Lebensjahr veröffentlicht er, mit zweifellos großem Erfolg, mehrere Opern, wie beispielsweise Der Fliegenden Holländer, Tristan und Isolde sowie den vierteiligen Ring des Nibelungen. Doch Wagner war darüber hinaus noch schriftstellerisch ausgesprochen aktiv, veröffentlichte in seinen gesammelten Werken neben den Ausarbeitungen zu seinen Musikdramen zahlreiche politische, philosophische und belletristische Texte. Auch die hohe Anzahl an Briefen, die noch hinzukommen machen es nicht immer einfacher Wagners Wesen nachzuvollziehen.

Im Verlauf der Angebotsreihe „Klingende Weltgeschichte – Wagner und das Judentum“ machte sich eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern aller drei Jahrgangsstufen, mit Herrn Doufrain (Musik) und Herrn Brodkorb (Geschichte), auf die Spur des Mysteriums Richard Wagners. Ziel des Projektes war es, einigen der Widersprüche seiner Figur auf den Grund zu gehen und besonders den Aspekt von Wagners Antisemitismus näher zu beleuchten. Dies gestaltete sich als eine durchaus delikate Angelegenheit, zumal die internationale Diskussion scheinbar endlos weitere Facetten aufwirft. So ist es einerseits unbestreitbar, dass Richard Wagner in seiner Schmähschrift „Das Judentum in der Musik“ eine antisemitische Haltung vertritt. Allerdings halten ihm seine Befürworter zugute, dass Wagner sich Jahre später kritisch mit seinem Werk auseinandersetzt und seine eigene frühere Meinung geradezu belächelt, zählte er doch mittlerweile mehrere jüdische Künstler zu seinen engsten Freunden. Doch bis zu welchem Grad darf man Wagners Judenhass als jugendliche Euphorie, geprägt von seinen unangenehmsten Lebensjahren in Paris, abtun, ohne die teils erschreckend grausame Position des Musikers zu leugnen?

Nicht weniger komplex wird das Thema, wenn man die Tatsache in Betracht zieht, wie Wagners Œuvre nach seinem Tod vom NS- Propaganda- Apparat glorifiziert wird. „Inkarnation unseres Volkstums“; „Geniale Zusammenfassung […] von deutschem Stolz und deutschem Fleiß“, so beschrieb der damalige Reichspropagandaminister Josef Goebbels Richard Wagners Oper Meistersinger in einer Rundfunkansprache im August 1933, wenige Tage nach Beginn der ersten Bayreuther Festspielen unter NS- Regime. Wird Wagner zu Recht zum Vorbild des nationalsozialistischen Rassenwahns oder ist er ein weiteres Opfer des verzerrten Weltbilds der NSDAP? Wie im gesamten Verlauf der Angebotsreihe bot auch diese Frage Stoff für eingehende, kritische Diskussionen.

Krönender Abschluss und zugleich Höhepunkt des Projektes war zweifelsfrei der Vortrag von Frau Prof. Eva Märtson, Präsidentin des internationalen Richard- Wagner- Verbands. Der Verband hat sich der Verbreitung von Wagners Musik und der Förderung begabter junger Musiker verschrieben. Prof. Märtson lieferte in ihrem Vortrag einen umfangreichen Einblick in die Biografie Wagners, und die Bedeutung seines Handelns bis heute. Sie plädierte dafür, den Menschen und die Kunst Wagners nicht zu trennen, sich jedoch möglichst eingehend mit beiden zu beschäftigen und zu versuchen Wagner als gesamtes zu akzeptieren.

Es war ein unglaublicher Gewinn solch eine Referentin hier gehabt zu haben, die eindeutig eine überzeugte Wagnerianerin ist, sich aber dennoch begeistert unserer oft sehr kritischen Auseinandersetzung mit den komplexen Wesen und Werken Richard Wagners zuwandte.

Prof. Märtson selbst beantwortete die Wagner- Problematik mit den Worten: „der antisemitische Teil seines Wesens ist verwerflich, aber das Wesentliche ist seine Musik“. Eine Teilnehmerin des Angebots formulierte es zum Schluss wie folgt:„Ja, eine Persönlichkeit wie Richard Wagner brauchen wir für unsere Zeit, um immer wieder in einen Dialog treten zu können, Neues zu überdenken, aus einem anderen Blickwinkel Betrachtungen anzustellen. Und die Musiker ihrer Zeit brauchten auch die Musik Richard Wagners, um sich daran zu orientieren und weiter entwickeln zu können…“

Dennoch bedeutet all dies noch keinen Freispruch von geschichtlicher und politischer Verantwortung, Die schillernde und sicherlich geniale Komponistenpersönlichkeit bleibt ambivalent in ihrer Wirkung auf die Nachwelt.