Mi, 20.06.2007

Juan Melendez – 17 Jahre unschuldig in US-Todeszelle. Die Amnestygruppe an der ISH empfängt den Puerto-Ricaner

Ein kräftiger, südamerikanisch wirkender Mann betritt selbstsicher den Raum und plaziert sich breitbeinig im Plenum und rückt eifrig sein Goldkettchen zurecht, um sodann mit ebensolcher Begeisterung dem Schülerpublikum am Hansenberg zu schildern, wie er „17 Jahre, 8 Monate und einen Tag in einer Todeszelle in Florida verbracht hat – unschuldig!“

Aufgewachsen in Puerto Rico, sucht Juan Melendez in jungen Jahren den American Dream als Obstverkäufer im Bundesstaat Florida zu erreichen; jener American Dream soll allerdings später zum American Nightmare werden, als der Südamerikaner im Februar 1984 verhaftet sowie des Mordes und Raubes angeklagt wird. Zeugen gegen diese unbegründeten Beschuldigungen kann Melendez zur Genüge vorweisen, nur „sind sie alle schwarz, will sagen vor keinem Gericht glaubwürdig“. So wird er für schuldig befunden und zum Tode verurteilt, wovor er ängstlich zurückschreckt – „niemand will für ein Verbrechen sterben, das man nicht begangen hat“.

Und dennoch, er überlebt: „Ich habe niemals aufgegeben, immer weitergemacht!“ Dieser Weg zur Freiheit ist gezeichnet von unzähligen Hindernissen wie fensterlosen Zellen, rassistischen Anfeindungen oder der allgemeinen Unmenschlichkeit, mit der sich Gefangene in der Todeszelle konfrontiert sehen. Melendez’ afroamerikanischer Freund beispielsweise muss sterben, weil ihm ärztliche Hilfe nach einem Herzanfall verwehrt wird.

Sogar von denjenigen, die er auf seiner Seite glaubt, wird der südamerikanische Obstverkäufer herb enttäuscht: Durch einen zufälligen Personalwechsel erfährt er, dass sein Anwalt ihm mehrere Jahre lang seinen Unschuldsbeweis vorenthalten hatte. 17 Jahre nach der Urteilssprechung wird das auf Tonband aufgenommene Geständnis des wahrhaftigen, mittlerweile jedoch verstorbenen Täters entdeckt. Melendez wird sogleich von jeglicher Schuld freigesprochen und erlebt eine krasse Veränderung dessen, wie er behandelt wird – plötzlich spricht ihn das Gefängnispersonal mit ‚Mr. Melendez’ an, behandelt ihn respektvoll, er ist ein gleichwertiger Mensch mit allen Möglichkeiten. Nun ist er ein freier Mann; gewiss glücklich, aber gleichzeitig traurig, Freunde und andere unschuldig verurteilte Leidensgenossen zurücklassen zu müssen. Vom Gefängnis in die freie Welt, hat der Freiheitsentzug den Südamerikaner derart geprägt, dass die Rückkehr zu einem gewöhnlichen Leben kaum möglich ist. Vielmehr wird er sich nun dem Kampf gegen die Todesstrafe widmen, wofür er als entkommenes Opfer prädestiniert erscheint. Genau dies macht Melendez derzeit mit seiner Tour in Deutschland, und er tat dies mit seiner beeindruckend-bedrückenden Darstellung auf Einladung der Gruppe Amnesty International auch am 21. Juni bei uns am Hansenberg.

Die Todesstrafe ist in den USA momentan noch in 38 US-Bundesstaaten (z. B. New Mexico, Florida, Kalifornien etc.) legal und gebräuchlich, wobei überall das Risiko besteht (und in Kauf genommen wird), auch unschuldige Menschen ums Leben zu bringen. Aufgrund ihrer Unmenschlichkeit und Brutalität sollte daher die Todesstrafe abgeschafft werden, denn „niemals kann man eine Bestrafung akzeptieren, die Fehler zulässt. Jede Woche werden in diesem Zusammenhang Menschen getötet, viele von ihnen gänzlich zu Unrecht. Das muss bekämpft werden.“ erklärt Juan Melendez bestimmt. Niemals aufgeben, immer weitermachen. Dies war auch die auch sehr religiös begründete Motivation von Juan Melendez in tiefen Krisen seiner Gefängniszeit: niemals an den Suizid denken, immer auf Gottes Wirken warten. In seinem Falle hat der Glaube Berge versetzt, und ihm die Freiheit zurückgegeben.