Mi, 04.02.2009

Informationsbesuch und Diskussionsveranstaltung mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales, Olaf Scholz, an der ISH

Er kam mit einer viertel Stunde Verspätung um 13:15 Uhr am Haupttor der ISH an. Ganz ohne Polizeieskorte, ganz ohne Sicherheitsmaßnahmen – symbolisch für seinen gesamten Besuch war bereits der Empfang sehr „volksnah“ und vertrauensvoll. Nach der Begrüßung durch Schulleiter Wolfgang Herbst und Fachbereichsleiter Leo Kauter sowie die Schülerinnen und Schüler, die den Besuch von langer Hand geplant hatten – Bastian Anedda, Sebastian Butterweck und Fabian Scholz – wurde Arbeitsminister Scholz durch das Internat geführt, besuchte dabei eine Wohngruppe des elften Jahrgangs, besichtigte die Bibliothek, Klassenräume und bekam schließlich noch die Gelegenheit einen Wettbewerbsbeitrag von drei Elftklässlern, nämlich Tina Ebert, Sebastian Dehe und Janosch Haber, zu bestaunen. Sie hatten eine Software entwickelt, die besonders Schulanfängern einen ersten Einblick in die Instrumentenlehre bieten soll und liebevoll Funktionen sowie Techniken spielerisch erlernbar und verständlich macht.

Nachdem dem Minister das Schulkonzept noch ein wenig näher gebracht worden war, folgte der Höhepunkt jener Veranstaltung: die Podiumsdiskussion. Um 14:00 Uhr hatte sich die gesamte Schulgemeinschaft in der Aula versammelt und erwartete gespannt die Ausführungen des Experten zu Arbeitsmarktpolitik, Finanzkrise und demographischem Wandel. Scholz betonte in seinem Eingangsstatement die immense Wichtigkeit der beiden Konjunkturpakete und machte unmissverständlich klar, dass die Banken in Deutschland nicht zusammenbrechen dürften. Die sicherlich hohen Kosten, die die Wirtschaftskrise der Bundesregierung abverlange, seien definitiv notwendig, nichtsdestotrotz wisse natürlich auch er, dass am Ende wir, die kommende Generation Leidtragende jener Neuverschuldung sein werden, was er bedauere, in der gegebenen Notlage aber nicht anders zu lösen sei. Wichtig sei ihm, dass die Krise richtig gemeistert werde, was bedeute, dass Geld in die Bildung fließen müsse, sie sei das höchste Gut, welches wir noch haben. Es dürfe keine notgedrungenen betriebsbedingten Kündigungen geben, dafür gebe es die Kurzarbeit, deren Laufzeit er kürzlich von 6 auf 18 Monate angehoben habe, wobei hier der Staat einen Großteil der Lohnkosten übernehme, um jene Arbeitsplätze zu sichern. Er sei sich allerdings trotz allem sehr darüber im Klaren, dass zum jetzigen Zeitpunkt niemand sagen könne, wie lange diese Krise noch dauern werde. Die Rücklagen von gut 16 Mrd. Euro seines Ministeriums reichten noch bis Mitte des kommenden Jahres aus. Danach sei er bereit weitere Schulden zu machen, sofern die Krise dies von ihm verlange. Er endete mit dem Versprechen, keine hohen Arbeitslosenzahlen und einen Fachkräftemangel anzustreben, sondern ganz im Gegenteil die Arbeitslosenquote sinken zu lassen, viele neue Fachkräfte einzustellen und dafür eine gezielte Familien- und Bildungspolitik fahren zu wollen, die jeden einzelnen gezielt fördere und aus den 80 000 jungen Menschen ohne Schulabschluss, 80 000 junge Menschen mit Schulabschluss zu machen. Das, so der Minister, müsse die Bundesrepublik zu leisten im Stande sein.

In der darauf folgenden Diskussion unter der Leitung von Bastian Anedda, Sebastian Butterweck und Fabian Scholz sprach er sich erneut und deutlich für einen Mindestlohn aus. Dabei ließ er sich auch von der durchaus stichhaltigen Argumentation der Schüler nicht davon abbringen, die anmerkten, dass der Sachverständigenrat der Bundesregierung mit vier zu eins Stimmen komplett gegen Mindestlöhne gestimmt habe, das BVerfG das „sozioökonomische Existenzminimum“ auf 800 Euro festgesetzt habe und jeder, der darunter liege doch auch jederzeit Sozialhilfe beanspruchen könne und ein solcher „Flickenteppich“, wie ihn die Bundesregierung zur Zeit erstelle, mit spezifischen Mindestlöhnen für jede einzelne Branche in deutlich variabler Höhe, realökonomisch mindestens gewagt sei. Auch die Gefahr von vermehrter Schwarzarbeit und ansteigender Arbeitslosigkeit könne der Bundesminister nicht erkennen. Der Sachverständigenratsvorsitzende habe als einziger für Mindestlöhne plädiert, was eine Aussage für sich sei, so Scholz, und das Beispiel England zeige uns, wie einwandfrei erfreulich Mindestlöhne doch seien. In spätestens fünf Jahren werden alle Zweifler verstummt sein und von seinem Konzept vollends überzeugt, welches übrigens langfristig Mindestlöhne für alle Branchen vorsehe. Er plädierte vehement dafür, dass jeder Mensch von seinem eigenen Gehalt, sich und seine Familie unterhalten können müsse, alles andere sei unmenschlich und niemand könne das ernsthaft von jemandem verlangen.

Zum Thema Arbeitslosenzahl versprach er, dass sie im laufenden Jahr durchschnittlich nicht um viel mehr als 250 000 ansteigen werde. Die Zahlen vom Januar – immerhin bereits 387 000 mehr Arbeitslose – seien saisonbedingt und würden sich im Laufe des Jahres relativieren. Zu den seitens der Moderation angesprochenen 1,5 Billionen Euro Staatsverschuldung und der Vermutung, die Krise könne ja vielleicht doch auch über zwei bis drei Jahre verlaufen, verwies Scholz auf sein Eingansstatement und sagte, die Bundesregierung werde alles tun, damit die kommenden Generationen nicht ausschließlich gegen einen horrende Staatsverschuldung ankämpfen müssten.

Weiterhin erklärte er, dass in Bezug auf den demographischen Wandel in der Bundesrepublik das Renteneintrittsalter richtiger Weise auf 67 Jahre angehoben wurde, denn das Verhältnis zwischen Arbeit und Kindheit sowie Rente müsse stimmen. Niemand könne erwarten 50 Jahre nichts zu tun und 20 Jahre zu arbeiten. Noch weiter nach oben, so Scholz auf Nachfrage, werde die Grenze allerdings nicht verschoben werden. 67 sei eine schöne Zahl und eine hohe Zahl, das Maximum – Punkt. Um allerdings jene Relation zwischen Arbeitszeit und Nichtarbeitszeit auch gewährleisten zu können, müsse bereits in der Ausbildung viel getan werden. Auch hier verwies er wieder auf sein Eingangsstatement und versprach so viele neue Ausbildungsplätze zu schaffen wie irgend möglich.

Um 14:55 Uhr gab es schließlich noch die obligatorische Flasche „Hansenbergwein“, ein herzliches Dankeschön für den Besuch und den netten wie zielgruppengerechten Vortrag sowie jede Menge Applaus. Die Schülerinnen und Schüler mussten schnell wieder in ihren Unterricht und der Herr Bundesminister hatte bereits seinen nächsten Termin. Auch auf diesem Wege noch einmal vielen Dank für diesen sehr gelungenen und ergiebigen Besuch. Es hat sich mit Sicherheit für alle Beteiligten gelohnt – Lehrer und Schülerschaft zumindest waren sehr zufrieden.