Mo, 14.12.2009

Im Rahmen des Studientages: Schüler diskutieren an der ISH mit dem Zeitzeugen Samuel Mandelbaum: Verfolgung im Faschismus – und trotzdem ein neues jüdisches Leben in Deutschland aufbauen!?

Dies ist die Geschichte von Samuel Mandelbaum, der uns als heute über 80-Jähriger am Dienstag, dem 15. Dez. als Zeitzeuge der NS-Verfolgung lebhaft und sehr persönlich packte.

Die Erwartung einer sehr eindrucksvollen Veranstaltung täuschte nicht. Anhand der Geschichte eines echten Zeitzeugen, der reale Erfahrung von dieser furchtbaren Zeit hat, ist der Schrecken des sog. Dritten Reiches jedem in dem Vortragsraum verdeutlicht worden. Der Zustand in der damaligen Gesellschaft, der im Unterricht nicht beschrieben werden kann, wurde hautnah beleuchtet. Die Schülerinnen und Schüler zeigten lebhaftes Interesse, erzeugt durch den realitätsnahen Bericht und die Perspektive des Verfolgten. Als Ergänzung zum Unterricht ideal. Dieses Zeitzeugengespräch hilft jedem dabei, selbst auf die Antwort zu kommen, ohne dass jemand einem etwas vorwegnimmt.

Und dies ist die Geschichte: Samuel Mandelbaum wird im Jahre 1928 in Polen, in einem kleinen Ort zwischen Krakau und Kattowitz geboren. Seine orthodox-religiösen, chassidischen Eltern hatten 7 Kinder. Nach einer sehr behüteten Kindheit ändert sich ab dem 1. Sept. 1939, dem Einmarsch der Deutschen in Polen, das Leben radikal. „Zwei Tage nach dem Beginn des Krieges waren die Nazis schon in unserer Stadt.“ Seit Nov. 1939 müssen alle Juden den „Judenstern“ tragen, die Verfolgungen und Deportationen beginnen.

Seine Brüder Samuel und Roman z. B. müssen als Zwangsarbeiter im Programm „Vernichtung durch Arbeit“ in einer Wagonfabrik bei Görlitz arbeiten, werden später ins KZ Burmag deportiert und im Febr. 1945 zu einem der berüchtigten „Todesmärsche nach Westen“ gezwungen. Später müssen sie zurück ins KZ Bunawitz, wo sie am 8. Mai 1945 die Befreiung durch Russen, extrem geschwächt, im Alter von 17 und 22 Jahren erleben.

Die „Befreiten“ aber befiel nach dem 8. Mai 1945 eine Große Trauer: Wer lebt noch von der Familie? Was war geschehen? Wie soll es weiter gehen?

Die überlebenden Mandelbaums gehen nach Berlin, dann nach Wiesbaden, wo sie als so genannte „DPs“, also „displaced persons“, Menschen ohne Heimat, eine Unterkunft am Kaiser-Friedrich Ring durch eine jüdische Hilfsorganisation bekamen. Sie waren schwach, arm, aber frei.

In Wiesbaden begann der „Wiederbeginn unseres jüdischen Lebens in der Synagoge Friedrichstraße“. In Gottesdiensten mit amerikanischen Armeeangehörigen, in einer normalen, friedlichen Welt, mit normalen freien Juden und Deutschen, begannen sie ein neues Leben. Mit Stolz, aber auch tiefer Trauer, und Hoffnung auf den Wiederbeginn eines „zweiten Lebens“. Die jüdische Gemeinde in Wiesbaden war „wie von den Toten auferstanden“.

Was war in der Zeit zwischen 1939 und 1945 geschehen? Bis auf 4 Überlebende waren alle Mitglieder der großen Verwandtschaft „weg“. Oft sinnierte Samuel Mandelbaum in den Jahren 1945–1950 über die Frage: „Was tun? Wie weiter leben?“ Samuel fehlten 7 Jahre Schule (mit 11 Jahren war Schluss), die Lebensmittel waren streng rationiert, die wichtigste Frage aber war: Gehen oder bleiben?

Die Mandelbaums aber fanden eine eigene Art des „neuen Nebeneinanderlebens mit den Deutschen“. Und wir Hansenberger sind am Ende der 2 Stunden „lebende und lebhafte Geschichte“ sehr dankbar dafür!

Bei den Zuhörern kamen viele Fragen auf. Fragen, dem Interesse entsprungen. Herr Mandelbaum beantwortete alle eindeutig, persönlich und klar. Mit allen Mitteln versuchte er anhand seines Lebens klar zu machen:

  1. WIR LEBEN IN EINER WOHLSTANDSGESELLSCHAFT.
  2. Die DEMOKRATIE ist unersetzlich!
  3. NICHT AUFGEBEN!