13. - 14.06.2010

"Die Dreigroschenoper" von Bert Brecht wird durch die Theatergruppe der ISH aufgeführt

Jede Zeit braucht ihre Helden. So lautete unter anderem das Motto des diesjährigen Abiturjahrgangs. Doch für die Theaterszene hat der Satz noch eine weitere Bewandtnis: Mit der Aufführung der „Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht am 14.06 und 15.06 haben einige Helden, die das Theater am Hansenberg in den letzten drei Jahren maßgeblich prägten, ihr Können ein letztes Mal unter Beweis gestellt und zugleich den Weg für die Nachwuchshelden geebnet. Unter der Leitung von Gerhard Müller hat sich die vollständig jahrgangsübergreifende Theatergruppe „Glotzt nicht so romantisch“ an dieses anspruchsvolle Singstück herangetraut. Denn nicht nur das schauspielerische Können kam diesmal zum Einsatz, auch musikalisch konnten die Darsteller sich an den Liedern nach Kurt Weil erproben. Begleitet wurde das Stück von Jochen Doufrain am Flügel, der in Zusammenarbeit mit Elizabeth Neiman für den musikalischen Teil des Abends verantwortlich war. Das Ergebnis konnte sich sehen und hören lassen.

„Denn wovon lebt der Mensch?“ Wie so typisch für Brecht handeln die Charaktere dieses Stückes fast ausschließlich in ihrem eigenen, ökonomischen Interesse, selbst wenn die Ausgestaltung dessen unterschiedlicher nicht seien könnte. Auf der einen Seite steht Mackie Messer; Mörder, Dieb, Betrüger und vor allem Macho, der von einem großartigen Artjom Frick gespielt wird. Mit seiner kriminellen Bande (Leonard Brauch, Laurits Marschall, Joris Probst, Alexander Rau) ist er nicht nur Mittelpunkt des organisierten Verbrechens, sondern auch erfolgreich in der Damenwelt. Ihm gegenüber werden einerseits sein bester Freund „Tiger“ Brown (Max Mersiowsky), der Polizeichef von London, gestellt sowie der leicht schmierige Jonathan Peachum (Jakob Dahl), der mit seiner Firma „Bettlers Freund“ einen weiteren wichtigen Teil der kriminellen Szene Londons unter Kontrolle hat. Während Mister Peachum Einblicke in die, selbstverständlich, völlig legale Funktionsweise seines Bettlerimperiums gibt, muss er mit seiner stets lallenden Frau (Luisa Seichter) das Fehlen seiner reizenden Tochter Polly (Yixiao Li) feststellen. Diese hat sich, sehr zum Ärger ihres geizigen Vaters, mit keinem geringerem vermählt als dem Ganoven Mackie Messer.

Zur selben Zeit in einem Pferdestall: Im trauten Kreis von Mackies Gaunern genießt das junge Paar Essen aus den verschiedensten Delikatessengeschäften Londons, ohne jedoch genau zu wissen, was der Ursprung der Köstlichkeiten ist. Plötzlich verbreitet sich Panik unter den Banditen, denn der oberste Polizeichef Londons steht vor der Tür. Doch nicht etwa, um die informelle Runde aufzulösen, sondern um seinem besten Freund zur wohlgemerkt zweiten Hochzeit zu gratulieren. Denn nachdem sie Schulter an Schulter ihren Militärdienst abgeleistet haben, kann die beiden auch geschäftlich nichts mehr trennen, was Macky Freiraum bei seinen Streifzügen und Brown einen kleinen Nebenverdienst sichert.

Doch Mackie Messer wäre nicht der berüchtigtste Frauenheld Londons, würde er sich in eine wohlgeordnete Ehe begeben und einer einzigen Frau treu bleiben. Stattdessen pflegt er weiterhin den engen Kontakt zur Spelunken-Jenny (Claire Thürwächter) und einer ganzer Hand anderer Huren (Leonie Ernst, Franziska Pecho, Laura Pester). Dieses Laster machen sich die Peachums zu nutzen, die den ungeliebten Schwiegersohn so schnell wie möglich am Galgen sehen wollen. Gegen Geld verraten von seiner engen Vertrauten Jenny, muss sich Mackie nun in die fürsorgliche Obhut der Polizei begeben. Die rührendste Szene des ganzen Stückes zeigt den verzweifelten Tiger Brown, wie er seinen alten Freund in der Gefängniszelle um Verzeihung bittet. Der Polizeichef weiß um die erdrückende Beweislast und es bricht ihm das Herz, einen so wertvollen Weggefährten auf so schmachvolle Weise zu verlieren.

Doch da hat er die Rechnung ohne seine eigene Tochter gemacht. Eine unendlich charmante Anna Weber spielt die Lucy, Mackies andere Ehefrau. Sie legt sich nicht nur mit der besitzergreifenden und eifersüchtigen Polly an, sondern befreit ihren Mackie aus der Haft. Doch dieser kann es einfach nicht lassen. Wieder wird er bei den Huren aufgegriffen und dieses Mal scheint der Galgen unausweichlich. Hier erfährt das Stück jedoch eine jähe Wendung. Im wahren Leben müsste Mackie nun sterben, das weiß der Ansager und Strippenzieher Marius Kulmer uns mitzuteilen. Doch da die Krönung der Königin mit dem Tag seiner Exekution zusammenfällt, rettet die royale Gnade ihm sein Leben.

Ist Gerechtigkeit nun ein leeres Wort? Und was hat es nun eigentlich auf sich mit der Moral? Was ist Recht, was Unrecht und wer entscheidet das? Es scheint keine Antwort zu geben. Im Kino würde man nun sagen, wie sehr man offene Enden doch verabscheue. Doch bei Brecht kann man sich sicher sein, dass mit einem sicheren Ende dieses Stück keinen halb so großen Eindruck hinterlassen hätte!