Sa, 08.11.2008

Besuch des Theaterstücks „Hitchcocks 39 Stufen“ in der Wiesbadener Wartburg

Lachen inklusive – Schwarz-weiße Zeitreise

Der Projektor wirft Werbespots für ein Schuhgeschäft und einen Hutladen an die Leinwand. Auch die Einblendung, die wie keine andere mit Filmpalästen verbunden wird, lässt nicht auf sich warten: „Bio-Eis – jetzt auch hier im Kino“, lautet die beruhigende Botschaft für Fans des kühlen Gaumenschmauses. Also alles beim Alten, das übliche Prozedere, nichts Ungewöhnliches für einen ganz normalen Kinobesuch. Wenn da nicht die konsequent schwarz-weiß gehaltenen Bilder wären, die unterschwellig für Irritation sorgen – so wie das Outfit der Protagonisten, das eher in die frühen Dreißiger Jahre zu passen scheint, als ins Jahr 2008. Nicht zu vergessen die Eisverkäufer, die Taschenlampen-bewaffnet durch die Reihen gehen… Gelinde gesagt: Merkwürdig, denn eigentlich hatte sich doch die anwesende Gruppe Hansenberger – daran bestand kein Zweifel – in eine Theaterliste für die Wartburg in Wiesbaden eingetragen, die bekanntermaßen mit ihren Inszenierungen glänzt und nicht mit cineastischem Betrieb.

Der Schleier beginnt sich zu lichten, als unversehens ein Maestro in eindrucksvoller Manier das links neben der Bühne stehende E-Piano erklingen lässt und – so wie man es im Theater erlebt – Schauspieler, wenn auch in fast erwarteter schwarz-weißer Aufmachung auftreten! Schwarz-weiß: Minimalistischer kann ein Stilelement eigentlich nicht eingesetzt werden und trotzdem ist die Wirkung, die Makeup und Outfit erzielen, phänomenal: Geradezu rasant scheint sich die Zeitmaschine rückwärts zu drehen, den Zuschauer unversehens ins Jahr 1935 zu befördern und mit „Mister Memory“ – genauer gesagt dessen Schicksal, das abrupt mit einem Schuss endet – zu konfrontieren. Annabelle Smith, die ihr Leben mit einem kalten Stahl im Rücken nicht minder gewaltsam aushaucht und Richard Hannay sind ebenso zur Stelle und bestätigen jeden eingefleischten Hitchcock-Fan: Ja, wir befinden uns mitten in der Szenerie von „Die 39 Stufen“, die an diesem 9. Novembers 2008 auf außergewöhnliche, auf cineastische Weise beschritten werden.

Dass sich eben jener Film nun nicht allzu ernst nimmt, die Schauspieler ein ums andere Mal in slow motion verfallen oder zwischenzeitig der Ton „ausfällt“, trägt dabei nur zum allgemeinem Genuss des Theater-Abends bei, denn die Mischung aus Slapstick und Thrill ist gekonnt, bar jeder Übertreibung, einfach brillant. Multiple Charakterwechsel, die für die Handlung auf den ersten Blick allzu gewagt erscheinen mögen, fügen sich ebenso ein wie das sporadisch eingesetzte Bühnenbild, das, wie könnte es anders sein, schwarz-weiß gehalten ist. Flacht für gewöhnlich die Spannung ab, wenn der Lachfaktor steigt, belehrt diese Inszenierung die Hansenberger eines Besseren, denn die atemberaubende Zeitreise im Schatten der „39 Stufen“ geht ebenso unter die Haut wie an die Lachmuskeln.