Do, 27.09.2007

Besuch des Theaterstückes A Clockwork Orange nach dem gleichnamigen Roman von Anthony Burgess in der Wartburg in Wiesbaden

Eine wahre Horrorshow

Drencroms, Vino, Poll, Horrorshow – zu deutsch: Drogen, Blut, Sex, Spaß – sind für Alex (Michael Birnbaum) und seine Droogs ebenso alltäglich wie die leicht russisch angehauchte Sprache. Sie werden in dem von Tobias Maternas inszenierten Stück „A Clockwork Orange“ den Zuschauern – unter ihnen eine kleine Gruppe von Hansenbergern – nur allzu deutlich vor Augen geführt, dennoch kann sich die Aufführung der Wiesbadener Wartburg dem gegenüber Kubricks gleichnamigen Film häufig geäußerten Vorwurf der Gewaltverherrlichung entziehen, denn genug „Rampferein“ sind nicht explizit, finden gar hinter der Bühne statt.

Alex kennt keine Regeln, erkennt keine Autoritäten an. Selbst seine Eltern kuschen vor ihm; die Mutter reißt entsetzt die Augen auf, als er ein gekochtes Ei ganz und mit Schale verspeist. Doch das ist bei weitem nicht die einzige schauspielerische Meisterleistung Birnbaums – während sich Publikum sowie Akteure in der Pause erholen, ist er eingewickelt mit Zellophan an eine aufgestellte Schaumstoffmatte gefesselt. Denn so soll der gewalttätige Alex geheilt werden: Man macht ihn bewegungsunfähig, unfähig sich dem zu entziehen, was da auf ihn wartet. Und das ist beileibe nichts Erfreuliches. Unter Einfluss einer starkes Unwohlsein und Übelkeit auslösenden Droge muss er sich verschiedene Gewalt- und Sexualvideos anschauen. Der Zuschauer gelangt ebenfalls in den Genuss dieser aus Kubricks Film entnommenen Szenen und weiß nicht, was ihn betroffener stimmen soll: Der sichtlich schwer atmende Schauspieler – denn nur ein kleines Loch für Mund und Nase wurde ihm in der Plastikschicht gelassen – oder aber die Filmausschnitte.

Im Gegensatz zum Film berücksichtigt das Stück das letzte Kapitel von Anthony Burgess’ Roman, indem dem Kinderwunsch des geläuterten (?) Alex Ausdruck verliehen wird. Eine Entwicklung, die er aber im wahrsten Sinne des Wortes schnellsten beiseite fegt (zuvor hatte er einen Kinderwagen auf den Overhead-Projektor gezeichnet), um mit seinen neuen Droogs H & M, die die vorherigen Dim und Georgie (D & G) ersetzen, wieder durch die Straßen zu ziehen. Ob das Publikum diese auf den T-Shirts überaus dezent zur Schau getragene Anspielung als genial oder auch als vollkommen lächerlich auffassen soll, bleibt ihm jedoch ebenso überlassen, wie die Frage, ob die Mischung aus Andeutungen und dem überaus detaillierten Verspritzen von Blut und Speichel zur Darstellung der Gewalt gelungen oder doch ein wenig zu unappetitlich ist. Die Meinungen der Hansenberger gingen auseinander, stimmten jedoch in einem Punkt überein: Bei Clockwork Orange handelt es sich um eine wahre „Horrorshow“.