So, 28.09.2008

Besuch des Stückes „Männerhort“ in der Wartburg in Wiesbaden

Arme Kerle, deren Innenleben lediglich auf dem Klo stattfindet. Glückliche Frauen, die hier nicht auftreten, denn sie entdecken sich gerade beim Shoppen. Das ist den Männern zu hoch. Ihnen aber bleibt die Nasszelle als Flucht- und Schutzraum. Caroline Stolz hat (mit Jan Hendrik Neidert und Lorena Diaz Stephens für Bühne und Kostüme) Kristof Magnussons „Männerhort“ in eine Toilettenanlage situiert und trotzdem, oder auch gerade deswegen, eine veritable, fantasievoll turbulente Komödie gezaubert. In der vollbesetzten Wartburg hatte das Stück bereits 2007 Premiere. Eine gefeierte.

Arme Kerle, Typen, uniformiert, gestylt, gebodybuildet, verschroben – grandios gespielt von Hanns Jörg Krumpholz (Helmut, der Ältere und Pilot), Michael Birnbaum (Eroll, der Loser und Fahrradfahrer), Florian Thunemann (Mario, der behaarte Securityman) und Wolfgang Böhm, die kleine bewegliche Führungskraft mit Doppelhandy als Frauenflüsterer.

Was ist ein Männerbund? Eine Zusammenrottung aus Fluchttier, Hobbyist, Großmaul und feigem Hund. Unheimlich sympathisch natürlich auch. Weil diese Männer so wenig können außer Dosenbiernippelsammeln, Pizzaessen, Fußballimfernsehengucken, Telefonieren und Tütentragen. Letzteres schmeißen sie zuerst hin, nach fünf Stunden „Shoppingscheiße“. Das andere kommt noch.

Alles geht die Wasserspülung runter. Das Selbstwertgefühl im Beruf (der Pilot ist gefeuert), als Ehemann (Mario ist nicht der Einzige, der zu Hause rausfliegt), als Vater (Lars weiß um seine Unfruchtbarkeit) – was allein noch übrig bleibt, ist das gemeinsame Treffen aufm Klo. Das wirklich letzte Refugium. Das hat die Regisseurin als Frau wunderbar ironisch erkannt und eben dort den nicht enden wollenden Showdown aller männlichen Selbstrettungsversuche in Szene gesetzt. In gleitendem Situationswechsel von Zeitlupen-, Prügel-, Schlaf-, Workshop-, Striptease- und Chorszene. Da ist der Rhythmus so genau balanciert, wie ihn die Darsteller auch temporeich, ohne Leerlauf, umsetzen. Krumpholz, der den Sammler spielt, Böhm den hinreißenden Jäger, Birnbaum den schüchternen Knaben und Thunemann den männlichen Prototypen. Längst aber sind die Katastrophen im Hintergrund abgespielt – und werden vorne an der männlichen Front doch halb nur erkannt.

Auf der Flucht vor ihren einkaufswütigen Ehefrauen tauchen Helmut, Eroll und Lars in den Keller eines Einkaufszentrums ab, wo sie sich eine letzte Enklave der Männlichkeit einrichten. Hier glotzen sie Fußball, futtern Pizza und tauschen die neuesten Geschichten über Horror-Shopping-Erlebnisse ihrer Ehefrauen aus.

Die Idylle droht jedoch aufzufliegen, als der Feuerwehrmann Mario die drei entdeckt. Er verrät das illegale Versteck nicht – unter einer Bedingung: Er darf mit in den Männerhort! Zähneknirschend lassen die drei den Frischverheirateten in ihr Heiligtum und palavern weiter über Jobs und Baumärkte, das Guinessbuch der Rekorde und natürlich über Frauen. Doch dann läuft alles aus dem Ruder: Nacheinander werden Mario, Helmut und Lars von ihren Ehefrauen verlassen, während Eroll vehement sein Eheglück dagegenhält. Die Solidarität bröckelt ganz gehörig. Ein Verdacht kommt auf: Hatte Erolls geliebte Connie etwa ein Verhältnis mit einem der Kumpel aus dem Männerhort?

Die bierdunstgeschwängerte Idylle wird nur gestört, als „Ich-bin-nicht-so-der-Mega-Fühler“-Mario (Florian Thunemann mit verzweifeltem Draufgängertum) hereinplatzt und überzeugt werden muss, das Trio nicht zu verraten… Viel wiedererkennendes Lachen im Publikum zeugt davon, dass das Stück einen Nerv trifft, auch wenn die Dialoge nicht ohne Klischees nach Art von Büchern wie „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“ auskommen.

„Shoppen mit seiner Frau..“ Es gibt nicht viele Schreckgespenster, die Männern den Angstschweiß auf die Stirn treiben aber dies ist eines davon.. Vom samstäglichen Einkaufsbummel fliehend treffen sich Helmut, Eroll und Lars regelmäßig in der Abgeschiedenheit eines ungenutzten Kellerraumes des Einkaufscenters und können hier den schmerzlich entbehrten Männerthemen frönen, die ihre Frauen verweigern. Als Mario, ein frisch verheirateter und ambitionierter Feuerwehrmann ihre Bastion entdeckt, droht das sorgfältig gehütete Geheimnis aufzufliegen, es sei denn, er darf dem Boys club beitreten. Die letzte Enklave ihrer Männlichkeit bietet Platz für Fußball, Bier, Fertigpizza, Fachsimpeln und Horror-Shopping-Erlebnis-Austausch.

Der Autor Kristof Magnusson wirft mit seiner Komödie Männerhort einen höchst amüsanten und zugleich scharfen Blick auf männliche Marotten. Mit seinem pointenreichen Text voller Situationskomik bietet er reichlich Spielmaterial für vier Vollblutschauspieler und – komiker. Der 1976 geborene Dramatiker hat vier herrliche Mannsbilder geschaffen, in deren individuellen Geschichten sich sowohl Männer als auch Frauen mit einem Augenzwinkern, Humor und viel Witz wieder finden können.

„Diesmal hat sie mir versprochen, dass wir ins Sport-Paradiso gehen. Wir gehen rein, ich schon auf dem Weg zu den Tennischlägern, da entdeckt sie diese Fahrräder, wo man vorne ein Kind drauf tun kann: Schläufchen, Füßchen, Sättelchen. … Anne kannst du in einen Waffenladen schicken, und sie findet etwas, was sie auf das Thema Kinder bringt!“