So, 19.09.2004

Besuch des Bundespräsidenten Horst Köhler an der ISH

Am 20. September 2004 ging ich nach der 4. Stunde in die als Diskussionsforum umfunktionierte Sporthalle, um mit Hilfe von 10 weiteren Schülern die Diskussion mit unserem Bundespräsidenten Horst Köhler zu „leiten“, und ich muss zugeben, ich war nervöser als ich es erwartet hatte. Die Halle füllte sich nach und nach mit Schülern, Lehrern, Sozialpädagogen und schließlich auch mit einer riesigen Gruppe von Reportern. Diese stürmten allerdings schnell wieder aus der Halle heraus, als der Bundespräsident die Sensation lieferte, mit unserem Tischkicker zu spielen. Gleich ist es soweit. Ich wartete weiter gespannt, doch den eigentlichen Moment, als der Bundespräsident die Halle betrat, verpasste ich und nahm ihn nur zur Kenntnis, weil alle standen und klatschten. Ich hatte wohl zu sehr über meine geplante Frage nachgedacht.Ich überlebte den ersten Schreck, als der Bundespräsident mir die Hand reichte, wie auch dem Rest der Diskussionsrunde. Mit ihm besuchten uns noch seine Frau, der Ministerpräsident Roland Koch und dessen Frau. Ich war über die sympathische Ausstrahlung des Bundespräsidenten vom ersten Moment an positiv überrascht und hörte nun seinen Begrüßungsworten zu.

Er erzählte uns wie es zu seinem Besuch an der ISH überhaupt kam und ehe ich mich versah, war es schon so weit: Ich saß ihm so gut wie gegenüber und konnte prophezeien, was als nächstes geschehen würde. Genau – das Wort ging an mich. Mach jetzt bloß keine Fehler!, dachte ich noch. „Herr Bundespräsident, Sie waren am Wochenende bei den Paralympics, wollten Sie damit einen Akzent setzen und wo wollen Sie weitere Akzente setzen?“ fragte ich und – bei Gott – ich hatte mich nicht versprochen!! Dennoch spürte ich genau wie rot ich wurde. Er antwortete sehr offen und freundlich und schien meine Unsicherheit nicht zu bemerken (oder er hat sie höflich ignoriert). Nachdem er nun zurück nach Deutschland gekommen sei, wolle er helfen den nötigen Reformprozess zu beschleunigen und zu unterstützen, da er gelernter Ökonom sei. Seine Devise laute „nach vorne schauen“. Im Punkt Bildung hält er Hansenberg für eine gute Idee. Er wolle ebenso mehr Bewusstsein für Familie und Beruf schaffen, sodass mehr Gleichgewicht und Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau bestehen z. B. durch Firmen mit flexiblen Arbeitszeiten für Frauen.

Nach dieser kleinen Rede war das „Eis gebrochen“ und für die nächste Frage meldeten sich bereits erneut mehrere Schüler. Ich, als unsicherer „Eisbrecher“, hielt mich zurück und wurde bei seiner Antwort auf die Frage, wie groß er seinen Einfluss auf die Bevölkerung einschätzt, von Blitzlichtern der Fotographen und Reportern gestört, die wie Raubtiere um uns herumschlichen. Dennoch sagte er, dass ihm das Vertrauen der Bevölkerung wichtig sei. Er wisse nicht, wie hoch er seinen Einfluss einschätzen soll oder wie er Einfluss nehmen könne, außer in dem er Rat und Vertrauen vermittelt.Die nächste Frage nahm Bezug auf die vorangegangene sächsische Landtagswahl, bei der die NPD in den sächsischen Landtag eingezogen ist. Er selbst sprach sich deutlich gegen die NPD aus und sagte, dass diese nur mit „hohlen Sprüchen die Jugend verführe”. Dennoch sagte er, dass jeder, auch die Jugend, ein Recht auf Wahlen habe und dass auf Grund der enormen Arbeitslosigkeit Sorge um die Zukunft bei der Jugend entsteht. Abschließend zu diesem Thema betonte er, dass man dieses Ergebnis nicht überbewerten und nicht „in Panik geraten sollte”.

„Welche Eigenschaften haben die Amerikaner, die wir Deutsche übernehmen könnten?” hörte ich bereits die nächste Frage. Das ging ja alles so schnell, wie soll ich das alles in einen Artikel verfassen, wo ich doch hier nur mit meinem „Notfallzettel” sitze, kam es mir zwischenzeitlich in den Kopf. Nichtsdestotrotz erzählte uns der Bundespräsident, dass er froh über die Erfahrungen sei, die er in Amerika gesammelt habe und er schätze die Grundeinstellung der Amerikaner. Er fügte hinzu, dass er sich für Deutschland mehr Neugier und Toleranz wünsche und das man an Tugenden festhalten solle. Hoffentlich entsteht jetzt keine Notfallsituation, weil Leute wie ich sich klar machen müssen, was eine Tugend ist. Auf Grund dieser Überlegung verstand ich den Übergang zur nächsten Frage nicht. „Wie wollen Sie Ihr Amt verwirklichen?” – „Ich möchte mehr Nähe zum Volk suchen und ihm zuhören,” war seine Antwort.

Anschließend ergab sich schnell die nächste Frage: „Wie ordnen Sie sich selbst in der Parteienlandschaft ein?” Seine Antwort auf diese Frage lautete, dass er unparteiisch und unabhängig denken müsse. Er gestand uns hierbei auch, dass er wohl teilweise dickköpfig sei. Durch seine Erfahrung verfüge er über eine gute Urteilsfähigkeit und verpflichte sich nur der deutschen Bevölkerung und seinen Aufgaben als Bundespräsident.

Da sich wohl jeder aus der Diskussionsrunde das gleiche fragte (nämlich wie viel Zeit wir noch haben), kamen wir mit der nächsten Frage auf sein Privatleben. Die Frage, wie viel Privatsphäre er noch hätte, gab er an seine Frau weiter. Frau Köhler erzählte, dass sie noch genug Privatsphäre hätten, obwohl sie wesentlich populärer seien als früher. Beispielsweise waren in Berlin die Fahrgäste eines Busses erschrocken, als sie das Ehepaar Köhler als Mitfahrer erblickten.

Bevor nun keine Frage direkt an Frau Köhler gestellt werden würde, nahm ich all meinen Mut zusammen und meldete mich erneut. Ich fragte sie also, welche Wohlfahrtsorganisation sie als Gattin des Bundespräsidenten unterstützen wolle. Es ergab sich, dass sie bereits die UNICEF Deutschland unterstützt und noch weitere Projekte in Betracht ziehen werde, die sie aber jetzt noch nicht namentlich erwähnte.Vor lauter Stolz auf meine erfolgreich gestellte Frage verpasste ich die nächste.Auf die Frage, ob ihm sein Job Spaß mache, antwortete er, dass er ihm sehr viel Freude bereite, aber dass er auch sehr viel Verantwortung übernehmen müsse und von privaten Schicksalen (durch Briefe) erfährt, in die er gerne eingreifen würde, es aber nicht könne. Er erklärte, dass er sich auch als eine Art Vertrauensperson sehe. Die nun folgende und letzte Frage fand ich persönlich sehr amüsant, da ein kleiner Dialog zwischen einer Schülerin und ihm entstand:

Sie fragte ihn: „Hätten Sie sich vor, sagen wir mal, 50 Jahren gedacht, dass sie einmal Bundespräsident werden?”Daraufhin lachte er erst mal und fragte belustigt: „Willst du mich älter machen als ich bin?” – ich glaube mir wäre diese Frage peinlich gewesen – „Nein, also hätte mir jemand vor 50 Jahren, da war ich elf, erzählt, ich werde einmal Bundespräsident, hätte ich ihm geantwortet &bsquo;sag mal du spinnst wohl!’“Schließlich packte ihn doch der Ernst und er erzählte, er sei erst mit 40 in die Politik gegangen und es sei eine unglaubliche Ehre für ihn Bundespräsident zu sein und er wolle im Interesse aller Deutschen handeln.

Abschließend lud er eine repräsentative Gruppe von etwa 10 Schülern der ISH zu seinem Sommerfest ein, das in seinem Berliner Amtssitz stattfinden wird.Nachdem Herr Herbst ihm noch ein Geschenk überreichte, verließen alle die Halle um in der Mensa ein vorzügliches Mahl vorzufinden.Ich atmete erst mal wieder auf und war froh, dass ich alles gut überstanden hatte. Ich bin meiner Mitschülerin Doris dankbar, die für mich die Diskussion fleißig mitprotokollierte. Ich empfand den Bundespräsidenten als sehr sympathisch und bin froh über diese besondere Begegnung, die ich machen durfte.