So, 19.04.2009

Bericht zum Planspiel Polis in 13.3

Guerillatruppen unter Führung des Oppositionsführers rücken von Nordosten aus auf die chinesische Hauptstadt Peking vor und erhalten Unterstützung von der verarmten und unzufriedenen Landbevölkerung. Gleichzeitig verkündet Chinas Regierungschef, er werde eine Militäroperation gegen Japan durchführen, da dieses Land die Guerillatruppen personell und finanziell unterstütze. Diese Situation spielt sich (glückerlicherweise) nicht so in der Wirklichkeit ab, und der Regierungschef der Volksrepublik China ist nicht Hu Jintao, sondern Lang Lang Fang und wird von Roman Greißinger verkörpert.

Doch mit solchen und ähnlichen Problemen hatten die Teilnehmer beim Planspiel POL&IS (POLitik und Internationale Sicherheit) der Bundeswehr zu kämpfen. Ungefähr zwanzig Hansenberger und fünfzehn Schüler aus Schlüchtern waren nach Winterberg aufgebrochen, um dort unter der Anleitung von Hauptmann Marcel Spieß das Planpiel durchzuführen. Viele hatten sich bestimmt unter POLIS vorgestellt, dass man dabei Truppen auf der Weltkarte bewegt und versucht, andere Länder zu erobern, ähnlich dem bekannten Strategiespiel Risiko, doch dem war nicht so. Vielmehr mussten die Schüler, die in die Rollen der verschiedenen Staaten wie Nordamerika, Europa, Japan oder Russland geschlüpft waren, die Wirtschaft ihres Landes steuern, mit anderen Staaten Handel betreiben, Verträge abschließen und die Interessen ihres Landes bei der „Internationalen Information“, einer Art UN-Vollversammlung, vertreten.

Zu Beginn des Planspiels wurden die Rollen an die Teilnehmer verteilt. Weltweit gab es 10 Staaten, die von jeweils drei Schülern repräsentiert wurden: Während der Regierungschef das Land nach außen hin repräsentiert und das Militär kontrolliert, steuert der Wirtschaftsminister die Wirtschaft und bestimmt, wie die Ressourcen Energie und Rohstoffe verwendet werden oder ob neue Produktionszentren gebaut werden sollen. Das Ziel des Oppositionsführers ist es, mit allen Mitteln die Regierungsmacht zu erlangen. In den demokratischen Staaten Japan und Südamerika kam es zu Wahlen, bei denen Oppositionsführer und Regierungschef Wahlkampf betreiben mussten. Das geschah unter anderem über die Presse, die ebenso wie die NGOs mit zwei Schülern besetzt war und über die Berichterstattung Einfluss auf die Politik der Staaten nehmen konnte. Die anspruchsvollsten Aufgaben hatten aber bei weitem die UN-Generalsekretärin und der Weltbankpräsident. Sie mussten zwischen den Regionen schlichten, die wie in der Wirklichkeit auch auf ihren Interessen beharrten.

Die komplexen Regeln des Planspiels, die wir schnell erlernten und im ersten POLIS-Jahr noch am Montag direkt anwenden mussten, verlangten den Schülern einiges ab. Und so wurden die Phasen schon mal auf das Mittagessen ausgedehnt oder der Geheimvertrag zwischen Oppositionsführer und einer anderen Regierung für dessen Machtübernahme spätabends besiegelt. Allerdings wurde der Fokus von Beginn an darauf gelegt, reale Tendenzen im Planspiel abzubilden. So konnten die Staaten von Anfang an eigene Programme, z. B. den Aufbau einer flächendeckenden Sozialversicherung, beschließen, die sich positiv auf die Produktion auswirkte. Dadurch stieg auch der sogenannte Mindestlebensstandard an, eine konstante Größe, die die Industrie- und Agrarproduktion eines Landes erreichen musste. Die Wirtschaft Japans erlebte eine große Depression verbunden mit Streiks, weil die benötigten Rohstoffe in der Handelsphase nicht eingetauscht werden konnten. In Südamerika, wo es ähnliche Probleme gab, wurden sogar Guerillatruppen aufgestellt. In einer bewegenden Rede wandte sich der japanische Wirtschaftsminister an das Volk: „Wir können diese Krise bewältigen, aber wir können sie nur gemeinsam bewältigen, und deshalb bitte ich euch um eure Unterstützung, mein japanisches Volk.“ Dass sich die meisten Schüler so in ihre Rolle hineinversetzten, ermöglichte erst wirklich spannende, aber auch gelegentlich amüsante Ereignisse im Planspiel: Der chinesische Oppositionsführer, der mit Flugblättern für die Menschrechte in seinem Land kämpfte, wurde während seiner Rede vor der Internationalen Information vom Regierungschef mit der Begründung abgeführt, er würde die internationale Sicherheit gefährden. Die arabische Regierung sperrte den Suezkanal für Handelsschiffe, was einen Affront gegen die westliche Welt darstellte, und rüstete ihre Armee mit chemischen Waffen aus. Der südamerikanische Oppositionsführer, der sich diese Situation mit dem Wahlkampfmotto „Wer den Weltfrieden verletzt, muss auch dafür bluten“ zunutze machte, wurde nach seiner Wahl zum Regierungschef von Al-Qaida Terroristen entführt.

POLIS stimmte jedoch auch nachdenklich in Bezug auf internationale Beziehungen ein: Wenn die Spieler im Planspiel schon so vehement auf ihrem Recht beharren, wie langwierig ist erst dann die Kompromissfindung bei UN-Beschlüssen in der Realität? In jedem Fall haben alle Schüler dabei gelernt, dass internationale Politik wirklich ein Full-Time Job ist, bei dem man einen globalen Überblick behalten, gleichzeitig aber auch alle Details beachten muss. Natürlich blieb uns noch ausreichend Zeit für gesellige Abende im „Big Mountain“, bei denen sich anlässlich des DFB-Pokalhalbfinals neue Fronten bildeten, und für artistische Mutproben im Kletterpark.

An dieser Stelle möchten wir uns herzlich bei Marcel Spieß bedanken, der abends, als wir unsere Arbeit schon beendet hatten, noch mit der Auswertung der Produktionsformulare und Programme beschäftigt war und trotzdem am nächsten Morgen wacher erschien als wir. Außerdem bei Herrn Rauh und Herrn Grosch, die die Fahrt organisiert haben und als Vertreter der Waffenlobby den Wahlkampf in Japan belebten.

Letztendlich hat uns POLIS eine Innensicht der internationalen Politik verschafft, wie man sie ansonsten selten bekommt und nebenbei auch noch Spaß gemacht. Den zukünftigen Teilnehmern bleibt nur zu wünschen, dass es ihnen ebenso ergeht und beim Anblick der Produktionsdefizits nach dem ersten POLIS-Jahr nicht verzweifeln.