Mi, 10.12.2014

10 Jahre unschuldig im Todestrakt von Arizona: Ray Krone, US-Bürger und Ex-Häftling, berichtet über sein Schicksal und das Rechts- und Strafsystem in der USA

Ray Krone ist 57 Jahre alt, in etwa 1,80 cm groß, Durchschnittsstatur. Er hat Lachfalten unter beiden Augen, graue, nach hinten gekämmte Haare, fixiert in einem Zopf. Er steht aufrecht, schaut geradewegs in die Gesichter von rund 80 erwartungsvollen Hansenbergern, die alle gespannt darauf sind, was er zu sagen hat.

Ray Krone ist amerikanischer Staatsbürger und saß – unschuldig - drei Jahre lang im Todestrakt und weitere sieben in einem Gefängnis. Ray Krone war 32 Jahre alt, als er aus seinem Alltag gerissen wurde. Eine Kellnerin wurde ermordet aufgefunden, der damalige Postangestellte wurde verdächtigt, sie entführt, vergewaltigt und anschließend umgebracht zu haben. Nach unzähligen Tests, harschen Polizisten, korrupten Staatsanwälten und ungerechtfertigten Beleidigungen wurde er schließlich zum Tode verurteilt. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte er sich selbst, so Krone, als Verfechter der amerikanischen Justiz bezeichnet. Doch durch die Gerichtskosten seines Besitzes, durch die Verurteilung seiner Freiheit beraubt, zweifelt er an dem so selbstverständlich gerechtfertigt erscheinenden System.

Er war gefangen in einer kleinen Zelle, ausgestattet mit einer circa 8 cm dicken Matratze, als Kissen dienten ihm seine mit einem Handtuch umwickelten Sneakers. Dreimal in der Woche durfte er aus seiner Zelle, um mit mehreren Sicherheitsbeamten nach den ausführlichen Sicherheitskontrollen die frische Luft zu genießen. Andere Insassen sah er nie. „Sperrt mal einen aus eurer WG für einen Tag in euer Badezimmer ein und guckt dann, wie er da raus kommt“, scherzte er, um uns so die Folgen der Isolation zu vermitteln. Trotzdem verlor er anscheinend nicht seinen Sinn für Humor. Viel Halt gaben ihm seine Freunde und seine Familie, die ihn auf seinem langjährigen Weg unterstützten.

Nach vielen Mühen von ihm, seinem Anwalt sowie seinen Angehörigen ging sein Fall zum Obersten Gerichtshof und wurde neu aufgerollt. Inzwischen wurde eine DNA an der Leiche gefunden, die weder zu der Leiche noch zu Ray Krone passte. Doch weil sich der Richter nach wie vor nicht vollständig überzeugt zeigte, wurde zwar die Todesstrafe revidiert, jedoch weitere zweimal 25 Jahre Haft verhängt. Zu dem Zeitpunkt war er 35 Jahre alt. Das Unverständliche an diesem Urteil war, dass weder Finger- noch Fußabdrucke am Tatort mit seinen Abdrücken übereinstimmte.

Enttäuscht und frustriert kehrte Krone zurück in Haft. Er berichtete von erneut schlechter medizinischer Versorgung und dem in jeder Hinsicht respektlosen Umgang der Aufseher mit ihm.

Nach weiteren 7 Jahren Haft wurde ein erneuter DNA-Test angeordnet. Inzwischen wurde der eigentliche Mörder mithilfe der DNA gefunden. „Ich konnte es nicht glauben, alles ging so schnell“ schilderte Ray Krone emotional. 4 Stunden später befand er sich auf freiem Fuß. Mit Fußfessel, aber immerhin, auf freiem Fuß! Eine Entschuldigung des Staatsanwalts, der Richter oder einer beliebigen öffentlichen Institution erhielt er nie. Dafür umso mehr von Angehörigen des Opfers: „Ich habe doch nur geglaubt, was mir gesagt wurde“ rechtfertigte sich die Mutter der ermordeten Kellnerin unter Tränen.

Seit nunmehr 10 Jahren reist Ray Krone um die ganze Welt und erzählt seine Geschichte, macht sich gegen die Todesstrafe und gegen Korruption im Gerichtswesen stark. Gegen Ende seines Vortrags wollte er allen Anwesenden zwei Botschaften für das Leben mit auf den Weg geben:

  1. Wir werden alle Höhen und Tiefen in unserem Leben durchlaufen. Schwierigen Zeiten, deren Ursachen wir uns nicht erklären können, werden wir immer begegnen. Dann müssen wir unsere Zuversicht und unsere Stärke wiederfinden! Es gibt immer einen Zweck in unserem Leben!

  2. Dinge ändern sich im Leben. Sowohl angenehme als auch unangenehme. „Aber wenn ihr aufsteht, nicht für Euch selbst, aber für andere Menschen einsteht, wird die Gesellschaft eure Stimme vernehmen. Es wird hart sein, aber es wird es wert sein!“

Tosender Applaus daraufhin. Nach einer ausführlichen Fragerunde bedankten sich die Mitglieder der Amnesty International AG am Hansenberg zusammen mit den Ethikkursen der Q3 im Namen des gesamten Hansenbergs bei Ray Krone und der sich gegen die Todesstrafe engagierenden Gabi Uhl.

Am meisten beeindruckt war der Großteil der Schülerschaft wohl von der mitreißenden und emotionalen Schilderung Ray Krones und davon, wie er trotz 10 Jahren Gefangenschaft und Isolation nie seinen Kampfgeist oder sein Lachen verlor.