Gioia Bannier& Lasse Blum · 08.10. - 06.11.2022

Schweiz

Mit „Padong“ und „Jö ne paal pa frangsäh“ haben Lasse und ich versucht, uns in den letzten vier Wochen möglichst sittlich durch den Genfer Alltag und insbesondere die Genfer Tram zu manövrieren. Für Illiteraten des Französischen wie uns bekam unser Aufenthalt in Genf dadurch durchaus einen exotischen Touch, auch wenn die französischsprachige Schweiz – abgesehen vom Französischen und viel Baguette - ähnlich wie die restliche Schweiz ist, und die Schweiz - abgesehen vom Käse und der Schokolade – ähnlich wie Deutschland ist.

Die größten Hürden erwarteten uns direkt nach der Ankunft in Genf: Nachdem wir bereits auf den zweiten Anlauf die richtige Straßenbahn zu unserer Unterkunft gefunden hatten, stellten wir in unserem AirBnB angekommen fest, dass unser Host kein einziges Wort Englisch spricht. Nach ein paar Versuchen mit Übersetzer-Apps haben wir uns in den folgenden Tagen wortlos darauf verständigt, dass auch ein einfaches „Bon jour“ am Morgen und ein „Bon soir“ am Abend vollkommen hinreichende, durchaus herzliche Kommunikation sein kann. Die zweite Hürde, der Lasse und ich uns gegenübergestellt sahen, war das eigenverantwortliche Kochen. Da jeder von uns gleich wenig Vorerfahrungen hatte, wurde dies in den kommenden Wochen (unter den zusätzlichen Hindernissen von äußerst begrenzten Supermarktöffnungszeiten in Genf, hohen Lebensmittelpreisen und einer fremden, etwas eigenwilligen Küche) eine der größten Lernerfahrungen unseres Praktikums.

Genf selbst ist mit seinen 200 000 Einwohner keine riesige Stadt, hat uns dafür aber das perfekte Freizeitangebot für vier Wochen entspannter Aktivitäten geliefert. Von Stadtbummel zur großen Fontäne und Hafenrundfahrt, dem Patek-Philippe-Museum, Konzerten, Eishockeyspielen, über den botanischen Garten bis hin zu einer Wanderung auf den Genfer Hausberg mit Blick auf den Mont Blanc war uns hier nie langweilig, und die Streiks und Ausfälle der Straßenbahn ließen uns auch die touristisch eher weniger frequentierten Ecken dieser Stadt kennenlernen.

Das eigentliche Augenmerk unseres Praktikums sollte aber natürlich auf unserem Arbeitsplatz liegen: dem CERN, der Europäischen Organisation für Kernforschung. Zusammengefasst kann ich vorwegnehmen: Für zwei physikbegeisterte Schüler wie uns war das CERN der beste Ort, an den uns unser Auslandspraktikum hätte verschlagen können. In den vier Wochen haben wir Einblick in vier Arbeitsgruppen aus den verschiedensten Bereichen, von Ingenieursarbeit an den Beschleunigern und Pipelines bis hin zur Datenakquirierung und –analyse bei den großen Experimenten gewonnen und dabei selbst wirklich mitarbeiten können. Es ist ein sehr erfüllendes Gefühl gewesen, nicht nur für uns interessante Aufgaben zu erledigen, sondern etwa mit unserem eigenen Code oder Dokumentationen zu kleineren Experimenten wirklich einen bleibenden Nutzen erbracht zu haben. Vor allem aber genossen wir die Atmosphäre an diesem renommierten Forschungsprojekt: Wir wurden in jeder Gruppe herzlich aufgenommen, man ist uns auf Augenhöhe begegnet und aus jedem einzelnen sprach eine intrinsische Begeisterung für die eigene Arbeit. Es war eine sehr bereichernde Erfahrung für uns, ganz selbstverständlich mit so vielen Menschen aus aller Welt zusammenzuarbeiten: Bei den (auffällig häufigen) Kaffeepausen treffen sich ganz zufällig plötzlich zehn Leute aus zehn Ländern und diskutieren ihre Arbeit, stellen einander Fragen, denken mit und versuchen sich gegenseitig zu unterstützen.

Neben viel neuem Wissen über aktuelle erstklassige Forschung in der Kernphysik, einer Führung durch die weltweit einzige Fabrik für Antimaterie, einer animierten Tour zu den gigantischen Beschleunigern und Detektoren und einer Fahrt durch den Great Car Collider, einem mehrspurigen Kreisverkehr, der mit der höchsten Unfallquote der Region anmutet, haben wir also vor allem ein einmaliges Beispiel für weltumspannende Kollaboration in der Forschung erleben dürfen. Wir haben beide das Praktikum sehr genossen und hätten gerne unsere Arbeit vor Ort fortgesetzt.
Vielen Dank an alle Beteiligten für diese vier außergewöhnlichen Wochen kulinarischer und physikalischer (Selbst-)Experimente! Au revoir, CERN!

Gioia Bannier, Lasse Blum