Luisa Steckhan, Q1 · 20.10. - 14.11.2014

Australien

Beim Antreten meiner Reise nach Australien wurde mir klar, dass Australien nicht umsonst den Namen „Down Under“ trägt, es ist nämlich einfach unfassbar weit weg. Nachdem ich also 21 Stunden reine Flugzeit totgeschlagen hatte, war ich bei meiner nächtlichen Ankunft am Flughafen in Sydney erst einmal total überwältigt von der Tatsache, tatsächlich am anderen Ende der Welt zu sein. Zugleich war ich unglaublich aufgeregt meine Gastfamilie zu treffen, die mich jedoch zu meiner Erleichterung mit der nicht bloß klischeehaften australischen Lockerheit sehr lieb aufnahm. Doch hatte die lange Reise auch ihre Auswirkungen, sodass ich durch den Jetlag beinahe den ersten Tag komplett verschlief. Doch bevor auch dieser Tag sich seinem Ende neigte, sollte ich nun doch auch noch die übrigen Bewohner des Hauses kennenlernen. Neben mir waren da noch drei andere Austauschschülerinnen: Laura aus China, Arwen aus Taiwan und Ana aus Korea, wobei man letztere nur mit sehr viel Glück zu Gesicht bekam. Wir übrigen aber inklusive meiner 8-jährigen Gastschwester Alana und meinem 15-jährigen Gastbruder Alexander waren jedoch ein wirklich, wirklich witziges Quintett und hatten immer jede Menge Spaß. Meine Gastfamilie war schon ein Profi darin, Austauschschüler zu beherbergen, da sie das bereits seit vielen, vielen Jahren tun und dies für meine Gastmutter eine Art Ersatz zum Reisen darstellt.

Abgesehen davon, dass der Anteil der australischen Bevölkerung zu einem überraschenderweise bemerkenswerten Teil asiatisch ist, gab es Australien auch viele Dinge, die so waren, wie man es tatsächlich erwartet hätte: Da ist zum einen die unerträgliche, trockene Hitze, wegen der man den ein oder anderen Tag nur im Pool überleben kann. Zum anderen entpuppte sich die australische Lässigkeit nicht nur als Klischee, sondern begegnete mir täglich, sei es im Praktikum, unterwegs in der Stadt, in der Familie oder sonst wo. Dass du für jeden Australier ein „mate“ bist und sich jeder sofort beim Vornamen nennt ist eine hundertprozentig natürliche Tatsache. Eine absolut australische Sache, die schon wieder so typisch Klischee ist, dass einige Australier darüber lachen, ist ihr „barbie“ (barbecue) und wie ich feststellen musste, ihre offensichtliche Liebe zu Fleisch, sodass ich bereits am Anfang mit meinem Vegetarier-Dasein konfrontiert wurde. Für meine Gastfamilie und im Besonderen für meinen Gastvater war es einfach unerklärlich, wie man auf Fleisch verzichten könne, sodass dies Stoff sämtlicher Debatten mit meinem Gastvater wurden, die in Kopfschütteln seinerseits endeten. Dafür wurden mir andere typisch australische Lebensmittel hingegen sehr vertraut wie zum Beispiel Weet-Bix eine Art zu einem Rechteck zusammengepresstes Stück Müsli, was die Australier in Milch einweichen. Da waren aber auch Dinge wie Vegemite – so etwas wie ein salziger, sehr intensiver Brotaufstrich, dem ich aber – und zum Glück auch meine Gastgeschwister – nichts abgewinnen konnten.

Eine Sache der man sich früher oder später bewusst wird, spätestens wenn man abendlich die nicht enden wollende Wettervorhersage für Australien verfolgt, ist die unglaubliche Größe Australiens. Ich meine, man weiß es, aber man begreift es nicht, wie viel unbewohntes Land es gibt und dass auf dem ganzen australischen Kontinent gerade mal ein vVertel so viele Menschen wohnen wie in Deutschland.

Durch die Umkehrung der Jahreszeiten machte ich unerwarteterweise bereits im Oktober bei 34 Grad Hitze die Bekanntschaft mit einem Weihnachtsbaum im Wohnzimmer. Dazu kam Weihnachtsmusik in Klamottenläden mit Badesachen und Sommerkleidern. Das war wirklich eine ganz kuriose Situation, an die ich mich auch erstmal gewöhnen musste.

Mit der Zeit wurden unsere langwierigen aber lustigen Gespräche abends am Esstisch mit sieben Leuten alltäglich, ich genoss die Sonnenstunden ausgiebig am Pool zusammen mit Alana, ich kannte bald das Innere der nahegelegenen Shoppingmalls in- und auswendig (zum Leidwesen meines Portmonees) und ich fand in Sydney mit dem weltberühmten Opera House und der Harbour Bridge eine der schönsten und außergewöhnlichsten Städte, die ich je gesehen hatte. Vor allem faszinierte es mich, wie sich das blaue Wasser des Pazifiks tief ins Innere der Stadt zu erstrecken schien.

Bereichert hat mich neben der Erfahrung in einem fremden Land in einer fremden Familie aber vor allem auch das Praktikum bei BOC, ein internationales Unternehmen, das Gase produziert und an seine Kunden liefert und seit 2006 ein Mitglied der Linde Group ist. So hatte ich in den vier Wochen, die Möglichkeit Einblicke in drei große und wichtige Abteilungen (Healthcare, Tonnage, Communications/Markting) zu erlangen, Erfahrungen zu sammeln, mit vielen unterschiedlichen Leuten ins Gespräch zu kommen und durch diverse Arbeit zugleich sehr, sehr viel zu lernen. Dass es nicht einfach damit getan ist, in irgendwelchen Anlagen ein Gas zu produzieren, abzufüllen und zu verkaufen, sondern dass Aspekte wie zum Beispiel Sicherheit bei alledem von zentraler Bedeutung sind, wurde mir auf jeden Fall sehr schnell klar. In der Abteilung Healthcare, die sich speziell auf die Gase für den medizinischen Gebrauch, sei es künstliche Beatmung zuhause (Homecare) oder die Verabreichung eines anästhesistisch wirkenden Gases im Krankenhaus konzentriert, beschäftigte ich mich vor allem mit den einzelnen Gasen, ihrem Gebrauch, den Indikationen, den Vorsichtsmaßnahmen, der Spezifizierung der Gase durch ihre geforderten Mengen von Komponenten und arbeitete nach meiner Neuaufsetzung der Datenblätter der verschiedenen Gase mit der Printing-Agentur zusammen an den Änderungen. Während meines Aufenthalts in der Abteilung Tonnage lernte ich, dass die Gase zum einen komprimiert in Zylindern in großen Tankern (ISOs) sind, wobei die Gase aufgrund der enormen Kühlung in den liquiden Zustand übergehen und zu guter Letzt in installierten Anlagen vor Ort an Kunden mit jeweils entsprechendem Bedarf verkauft werden. Des Weiteren erfuhr ich alles über die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten der Gase von Kohlenstoffdioxid für Softgetränke in der Lebensmittelbranche bis hin zu Helium oder Stickstoff zum Schweißen von Metallen und Schmelzen von Glas. Die Exkursionen zu verschiedenen Produktionsstätten von BOC stellten zu all der Theorie eine gute und abwechslungsreiche Möglichkeit dar, all das in der Realität zu sehen und zu erleben. Alles in allem habe ich während meines Praktikums unglaublich viel gelernt, Eindrücke über die Arbeit in einem Großkonzern wie BOC gewonnen, wertvolle Erfahrungen gesammelt auch im Hinblick auf das Leben mit einer Gastfamilie und in einem fremden Land und für mich selbst einfach extrem viel mitnehmen können, nicht zuletzt hoffentlich ein Stückchen Englisch. Meine Zeit in Australien war für mich von unschätzbarem Wert und ich werde Down Under nicht so schnell wieder vergessen. Und wie die Australier immer so schön sagen: „No worries“.