Anna Patrizia Meinecke, Q1 · 29.09. - 24.10.2008

Belgien

„C’est notre brebis!“ Mein Gastvater zeigt auf den Mopsmischling, der schläfrig in der hintersten Ecke der Küche liegt. Und ich dachte immer, „Hund“ hieße auf Französisch „chien“… Aber vielleicht ist „Brebis“ ja auch der Name. „Toutsieee!“ Das Tier zuckt kurz, als meine Gastschwester die Küche betritt. Es scheint sich angesprochen zu fühlen. Schade, denn ich hatte mich bereits an Brebis gewöhnt. Bereits nach wenigen Minuten auf Belgischem Boden suche ich verwirrt mein kleines Wörterbuch – „Brebis = Schaf“. Ich hatte so eben die Bekanntschaft des faulsten Hundes, der jemals das Licht der Welt erblickt hatte, gemacht.

Auch meine Gastfamilie stellte sich als sehr gemütlich heraus. Zu gern hielt ich mich nach der Arbeit an ihren Dresscode bestehend aus Schlafanzug und Bademantel. Das leckere Essen meiner Gastmutter und die schrecklich schönen Familienfilme, bei denen ich mir bis zum letzten Tag die Augen zuhalten musste, waren stets genau das richtige nach einem langen Arbeitstag – neun Stunden mit einer kurzen Mittagspause.

Es gab nun mal immer reichlich zu tun für mich. Das Büro der KfW Bankengruppe, in dem ich arbeitete, war einen Werktag vor meiner Ankunft erst umgezogen, und so kämpfte ich mich einen Monat lang unter anderem durch ein Meer von Kisten. Jedes Mal, wenn ich morgens den Fahrstuhl in den siebten Stock des Gebäudes betrat, lächelte ich breit meinem Spiegelbild entgegen – völlig fasziniert von der Seriosität, die mir die schicken Klamotten, die ich im Büro trug, verliehen. Das Klacken meiner Schuhe auf dem Laminat des Flurs wurde Musik in meinen Ohren. Lustig aber auch seltsam, noch immer ein Stück weit das kleine Mädchen mit zu rotem Schmollmund in den hohen Schuhen der Mutter zu sein und gleichzeitig erfahrene Mitarbeiter einer einflussreichen Bank bei ihrer Arbeit zu unterstützen.

Meine ganz persönliche Herausforderung war jedoch die Nutzung der Métro. Nicht nur dass man mich in hundertfacher Ausführung vor der hohen Kriminalitätsrate im Brüsseler Untergrund gewarnt hatte, was mich meine Lederhandtasche durch einen Leinenbeutel und meinen Ipod durch kleine Reclamheftchen ersetzen ließ. Schnell zeigt sich auch, dass es auf der Welt immer noch Plätze gibt, an denen das Recht des Stärkeren gilt. Wer mitfahren will, muss tüchtig schieben. Rückblickend habe ich mich in den ersten Tagen sicher reichlich ungeschickt angestellt. Über die Touristen musste ich nämlich am Ende meines Aufenthalts grinsen – man erkennt sie daran, dass sie trotz Haltegriffen an der Decke beim kleinsten Ruckeln des Wagens eine menschliche Dominokette auslösen. Nach einem Monat in der Hauptstadt des Pralinen-Paradieses fühle ich mich so was von einheimisch…