03. - 04.12.2007

Die Theatergruppe Opfer des Über-Ichs präsentiert das Stück Top Dogs von Urs Widmer

Kein Shakespeare. Kein Molière. Hansenbergsches Theater kann auch anders: Modern, mit gebrochenen Szenenfolgen – dabei jedoch stets alle Erwartungen übertreffend. Die Theatergruppe der 13. Jahrgangsstufe, formiert als „Opfer des Über-Ichs“, führte am 04. und 05. 12. 2007 unter Leitung von Herrn Dr. Müller Urs Widmers „TOP DOGS“ auf.

Im Mittelpunkt stehen Topmanager, für die Arbeit und Leben eins sind. Was aber, wenn Arbeitsplatz und Lebenszweck wegfallen, wenn jene Führungskräfte entlassen werden? Um den Schock der Arbeitslosigkeit zu überwinden, finden sich die Top Dogs in der NCC Company wieder. Hier tauschen sich die Gescheiterten aus und werden zum Wiedereinstieg ins Business aufbereitet. Gar nicht so einfach, denn stellenlos gewordene Manager fallen tief, nachdem sie zuvor Machtpositionen besetzt hatten, welche mehr und mehr zur eigenen Identität der Top Dogs wurden. Bisher perfekte leidensfreie Karrieren verfolgend, müssen die Darsteller nun den traumatisierenden Jobverlust verkraften und werden sich dabei der entfremdenden Reduziertheit ihres bisherigen Lebens bewusst.

Sie alle identifizieren sich mit ihrer Arbeit, stellen die Leistung für die Firma über alles, funktionieren wie Maschinen. Merlin Bergmann war schon immer „ein Winnertyp“ und Dominik Müller hatte „nie Probleme im Unternehmen“, Carlos Döring unterstreicht vielmehr seine selbstaufopfernden Leistungen – diese Illusionen und idealisierten Selbstbilder gipfeln darin, dass die Topmanager ihren Misserfolg weder sich noch ihren Mitmenschen einzugestehen wagen. Garry Spanz verdeutlicht dies in einer schauspielerischen Meisterleistung, schüttelt sich unter Heulkrämpfen, betitelt sich selbst als „Versager“, als „Monster“, das seine Familie und Identität für den Beruf aufgegeben hat. Und jetzt, nach der Entlassung, wie soll es weitergehen? Immer noch sind sie gefangen, die TOP DOGS, und vom Trauma des Job- und Machtverlusts wie gelähmt, sodass sie sogar Selbstmordgedanken hegen. Bislang waren es Arbeit, Macht und die damit verbundenen Privilegien – Haus, Porsche, Karibik-Urlaub –, die ihr Leben bestimmten. Die Situation der Arbeitslosigkeit raubt sodann jegliche Identität. Wie Anna Várnai und Torsten Schätzle in einem Paargespräch unübertrefflich zeigen, scheitern die Wirtschaftsbosse insbesondere in Partnerschaft und Familie. Ja, eine Arbeitsbeziehung, die ist bei Führungspersönlichkeiten wie Marianna Pruchnitzkaja und Saskia Ott stark ausgeprägt, Zwischenmenschliches dafür umso weniger. Die gänzliche Identifikation mit dem Beruf führt zu einem Missverhältnis, zu einer Entfremdung vom ursprünglich Menschlichen. Ergo muss man versuchen+ diese Gescheiterten wieder auf den Markt zurückzuführen – erste Gehübungen in Sachen Selbstvertrauen absolvieren Aliza Bredl und Sebastian Seifert mit darstellerischer Bravour.

Ein Bruch mit der klassischen Shakespeare’schen Tradition sind Widmers gefallene Führungskräfte keinesfalls. Wenn auch die gebrochene Szenenfolge den Zuschauer anfangs herausfordert, so mutiert diese Eigenart des Schauspiels zu seinem überzeugendsten Instrument. Die Gebrochenheit der Charaktere wird herausgestellt, die in ihrer Identitätskrise zwischen Leben und Beruf als Leben oszillieren. Ein Theaterstück könnte daher realitätsbezogener nicht sein: Der Markt ist ein Schlachtfeld, auf dem es sich selbst zu behaupten gilt; und Business ist Krieg, in dem Machtmechanismen und die Logik der Wirtschaft vorherrschen. Die TOP DOGS müssen das Feld räumen und beweisen dadurch die Fatalität von Mächtigen in der Wirtschaft – Machtfragen und Situationen des Scheiterns sind hier sogar als Fortführung von Shakespeare zu verstehen.

Eine weitere Aufführung von den „Opfern des Über-Ichs“ allerdings ist leider nicht zu erwarten. Die Abiturienten haben mit Urs Widmers „TOP DOGS“ nach drei Jahren einen fulminanten Abschluss ihrer schauspielerischen Tätigkeit dargeboten, mit der sie den Hansenberg stets berührt und begeistert haben. Danke!