Mo, 18.12.2006

Liselotte Günzler: Eine ergreifende Kindheit im Nationalsozialismus

„Ich habe nie verstanden, ich habe ertragen.“, sagt Liselotte Günzler am Ende ihres Vortrages, dem wir Hansenberger am 19. 12. 2006, unserem Studientag, beiwohnen durften. Sie fügt hinzu: „… und ich bin mit allem zufrieden, was danach kam.“ „Lilo“ wird als Kind einer jüdischen Muter und eines „arischen“ Vaters im Jahre 1933 im Frankfurt a. M. geboren und wächst mit einem weiteren Geschwisterkind auf. Schon in ihrer frühen Kindheit muss sie die Auswirkungen der „Nürnberger-Gesetze“, die deutsche Juden von der Gesellschaft vollkommen isolieren, ertragen und erlebt im Weiteren mit, wie die Frankfurter Synagoge dem Reichspogrom zum Opfer fällt. Sowohl Mutter als auch Bruder werden 1945 in ein Arbeitslager deportiert und der Vater zum Volkssturm eingezogen, sodass die 12- Jährige das Ende des Krieges eigenständig bewältigen muss.

„Bitterlich“ habe die Mutter an jenem 10. 1. 1938 geweint, als die Synagoge, die auf dem Schulweg liegt, brennt. Lilo Günzler, die damals 5 Jahre alt ist, hat die Menschenmengen als eine „stumme Masse“ in Erinnerung. Sie blickt melancholisch in den Raum und fügt hinzu, dass dieser Tag wohl das Ende ihrer Kindheit und der Beginn des Leids gewesen sei.
Zunächst schafft es der Vater aber, den älteren Bruder aus einem Kinderheim der Nationalsozialisten durch einiges Verhandlungsgeschick zu „befreien“ und hier hebt sie einen Satz besonders hervor: „Mut musste man in jener Zeit haben, aber er hat ihn gehabt, er hat ihn bewiesen!“. Die Familie trifft es jedoch im Jahre 1945 schwer. Allein steht die 12- Jährige am Bahnsteig und winkt ihrem Bruder und der Mutter, als sich die Türen des Güterzuges, welcher das Arbeitslager Theresienstadt zum Ziel hat, schließen. Sie hat nur einen Gedanken: Dies könnte der letzte Abschied sein. Als der Vater im März 1945 nun auch noch zum Volkssturm eingezogen wird, um zu retten, was noch zu retten ist, ist „Lilo“ endgültig auf sich gestellt. Zurückgezogen im Keller des Hauses der Familie lebt sie nun allein mit der „panischen Angst“, die SA würde das Haus doch irgendwann durchsuchen und sie finden. „Tatsächlich“, erzählt sie uns mit hochgezogen Augenbrauen, habe es am 29.3 an der Tür geklopft. Als aber ein Farbiger vor der Tür stand, wusste sie, dass es kann kein Deutscher sein konnte. Und nach allem scheint ihr das Schicksal nun wieder gut gesonnen, denn als der Krieg offiziell als verloren erklärt wird, kehren sowohl Bruder, Mutter und Vater wieder zurück.
„Seitdem bin ich mit allem zufrieden gewesen, was kam“, sagt Günzler abschließend mit einem warmen Gesichtsausdruck. Die Klasse ist still. Der Applaus setzt spät ein.
Anlass für uns, nicht nur als Hansenberger, trotz der bestehenden Sorgen, erfüllt und zufrieden zu sein?