Jutta Fleck, die "Frau vom Checkpoint Charlie" und Ihre Tochter Beate Gallus waren im Rahmen eines Studientagsangebots einen Vormittag an der ISH. Während der vierstündigen Veranstaltung im gut gefüllten Schlegel-Raum erzählten Frau Fleck und Frau Gallus, zeigten Filmausschnitte und beantworteten die zahlrechen Fragen aus dem Publikum.
Frau Fleck berichtete vom gescheiterten Fluchtversuch mit ihren beiden Töchtern 1982, ihren Erfahrungen in der Untersuchungshaft und nach ihrer Verurteilung von der Zeit im Gefängnis Hoheneck. Nach ihrem Freikauf suchte Sie dann gezielt die Öffentlichkeit, setzte alles in Bewegung, bis 1988 ihre Töchter zu ihr in den Westen ausreisen durften.
Beate Gallus erlebte den Fluchtversuch als Kind und berichtete darüberhinaus über ihre Zeit im Kinderheim und generell über das Leben in der DDR aus Sicht einer Heranwachsenden.
Hier ein Bericht von Luna Bungard, Q4, zu der Veranstaltung:
Im Vorfeld des Zeitzeugengespräches hatte ich mich gefragt, was der eigentliche Sinn hinter der Tatsache war, dass die Tochter von Frau Fleck mit im Gespräch anwesend ist. Es war mir wenig verständlich, dass ein Kind sich so viele Jahre nach dem Geschehenen noch genau daran zurückerinnern kann und verstand diese Tatsache daher eher als Stütze für die Mutter. In der ersten Hälfte verstärkte sich dieser Eindruck dadurch, dass Frau Fleck erst einmal zu erzählen begann, ihre Tochter ab und zu mit Zahlen, Wissen und Konkretisierungen einhakte.
Als es dann jedoch zu ihr kam, ihre Perspektive zu berichten erkannte ich, dass es auch ohne konkret genannte Ereignisse leicht zu verstehen war, was eine derartige Situation mit einem Kind und vor allem die DDR mit Familienbanden im Allgemeinen, gemacht hatte. Es war sehr nachvollziehbar und für alle verständlich, dass ein Kind erstmal unkritisch ist, sich auf grenzenlose Liebe verlässt und dass es, sobald es sich einsam fühlt, nach Aufmerksamkeit strebt. Konkrete Erinnerungen bekamen wir aber auch mit, da Flashbacks durch einen Besuch in einem alten DDR-Kinderheim die Erinnerung von Frau Flecks Tochter wieder hervorgeholt hatten, wie eine Rückfrage verständlich machte.
Wir bekamen also die gleiche Geschichte aus zwei Perspektiven detailliert geschildert, was sie nachvollziehbar und spannend machte. Sie wurde lebendiger, mehrdimensional und greifbarer. Dadurch fiel es mir sehr viel leichter zu verstehen, weshalb in der DDR so viel Misstrauen geherrscht hatte, wenn so systematisch wie geschildert gegen Familien vorgegangen worden war.
Die Veranstaltung war demnach sehr spannend und es war wirklich eine Bereicherung, dass alle die Möglichkeit hatten, jederzeit Rückfragen zu stellen. Dadurch konnten eventuelle Unklarheiten direkt beseitigt und der Fokus des Vortrages auf die Interessensschwerpunkte der Zuhörer gelegt werden.
Eine Sache war allerdings schade: Dadurch, dass der Fokus so sehr auf der Zeit vor, während und kurz nach der Trennung gelegen hatte, kam mir das eigentlich „Besondere“ und Bewundernswerte an Frau Fleck zu kurz; ihr Kampf um die beiden Töchter. Hierfür war am Ende für meinen Geschmack zu wenig Zeit eingeplant worden.
Generell finde ich es toll, dass wir an der Schule die Möglichkeit bekommen, mit Zeitzeugen zu sprechen und habe die Veranstaltung als sehr bereichernd empfunden.
Als besonders eindrücklich nehme ich die Rolle des Onkels mit, der die schwierige Gradwanderung im System der DDR geschafft und das Vertrauen seiner Familie nie verloren hat, obwohl er Informationen an die Stasi liefern musste. Dieses Beispiel machte mir sehr deutlich, wie schwierig es ist, gerade in einem Staatssystem wie der DDR, bei seinen Mitmenschen in gut und böse zu unterscheiden und dass es sich lohnt, über einiges lieber einmal mehr als zu wenig nachzudenken.