Do, 27.01.2005

„Ist MP3-Download illegal?“ – Vortrag von Prof. Dr. Rüdiger Grimm von der TU Ilmenau

„Ist MP3-Download illegal – warum für etwas bezahlen, das man schon hat?“

Am 28. Januar 2005 besuchte uns Professor Dr. Rüdiger Grimm von der Technischen Universität Ilmenau, um unsere Kenntnisse über MP3, den Download von Musik und die Kosten von Herstellung und Verbreitung von Musik im digitalen Zeitalter zu erweitern.

Prof. Grimm ist Mitarbeiter in einer Arbeitsgruppe für mehr Sicherheit von MP3-Downloads, die Bezahlung im Internet und ähnliches am Frauenhofer Institut. Sein Vortrag beinhaltete neben der MP3-Virtualisierung auch die Aufklärung über Waren und virtuelle Waren im Vergleich, die zentrale Nutzungssteuerung von MP3 und einen kurzen Einblick in den Interessenkonflikt.

Aber wie entstand MP3 eigentlich und warum ist sie so viel „besser“?

Die eigentlich Idee für eine solche Datei wurde aus einer Wette entwickelt: Professor Dieter Seitz und ein Doktorand wetteten, dass sie eine schnellere Datenübertragung und Wiedergabe für Musikdaten bewerkstelligen könnten als das bisher möglich war. Sie studierten dazu das Hörverhalten des menschlichen Ohres erkannten Bereiche fest, in denen der Mensch Töne nicht mehr hört, oder solche, in denen eine Stimulation mit Schmerzempfinden gekoppelt ist. Der Trick einer MP3-Kodierung ist es nun, an den Stellen mit Verlust von Tonqualität zu arbeiten, an denen ein Durchschnittsohr es nicht merkt (das ist natürlich auch vom Alter abhängig). Die schon erwähnte MPEG (Movie Picture Expert Group) gab der komprimierten Datei ihren Namen: MP als Abkürzung für MPEG und Audio Layer 3 wurde auf die Zahl verkürzt.

Lebenszyklus einer MP3-Datei

Der Lebenszyklus einer MP3-Datei ist im Grunde genommen nicht viel anders als der einer anderen Ware: zunächst wird sie erfunden, dann produziert. Wenn sie sich dann bewert hat, wird sie reproduziert und verteilt. Bei digitalen Produkten, entfallen auf die Reproduktion und Verteilung sehr geringe bis vernachlässigbar kleine Kosten. Nach der Verteilung folgt der Konsum und unter Umständen auch der Genuss, wobei diese Teile des Lebenszyklus den Gebrauchswert bestimmen.

Ist dieser Lebenszyklus einmal begonnen, so hat eine MP3-Datei besondere Eigenschaften, die sie so beliebt macht. Es ist möglich diese Dateien von jeglichen Medien loszulösen: so ist zum Beispiel nicht mehr der Erwerb einer CD nötig, um ein Lied auf den eigenen Computer spielen zu können. Darüber hinaus ist die Wiederholbarkeit des Abspielens unbegrenzt möglich und auch das Weiterkopieren kennt (ohne Schutz) keine Grenzen. Bei der Wiedergabe selbst liefert eine MP3-Datei exzellente Qualität, wobei nur ungefähr ein Mensch von 100 einen Unterschied zu zum Beispiel einer CD hört. Nach der Codierung ist jeder Kopiervorgang, der mit der MP3 realisiert werden kann, verlustfrei. Aber eben erst nach der Codierung:

Codierung als MP3

Da Musik technisch gesehen Schwingungen sind, ist sie durch Frequenz- und Amplitudenabtastung digitalisierbar. Claude Shannon stellte dazu eine Formel auf, die die maximale Kompressionsrate berechnet. Ein Musikstück in CD-Qualität benötigt demnach eine Übertragungsrate von 1,4 MB pro Sekunde, für die Live-Übertragung einer MP3-Datei reicht eine doppelte ISDN-Datenleitung Musik.

Kosten

Auch die Kosten unterscheiden sich im Grunde nicht von der Kosten einer nicht digitalen Ware: die Produktion ist teuer, der Vertrieb ist teuer und die Konsumgeräte sind teuer. Bei einer MP3 gibt es aber den Vorteil, dass die Infrastruktur des Internets schon vorhanden ist und auch die Konsuminfrastruktur – zum Beispiel Computer – ist bei denjenigen, die sich eine solche Datei kaufen, schon vorhanden. Deswegen sind die Grenzkosten einer MP3 so viel günstiger (sie sind fast Null).

Digital-Rights-Management und Interessenskonflikete

Damit aber nicht jeder die Dateien – wie er es möchte – weitergeben kann, wenn er sie gekauft hat, gibt es DRM (Digital Rights Management). Die Rechte werden im Medienformat codiert und als „Nutzungsregeln“ im Endgerät ausgelesen. Es sind momentan viele verschiedene Modelle auf dem Markt, mit denen man die Dateien schützen kann, aber alle Modelle sind inkompatibel zueinander. Durch diese Rechte kann erreicht werden, dass entweder die Anzahl der Kopien, die von der Datei gemacht werden können, die Laufdauer (zum Beispiel von Ostern bis Weihnachten), der Abspielort oder ähnliches begrenzt werden können. Aber es gibt bislang noch keinen Schutz, der nicht umgangen werden kann. „MP3 ist der Teufel“, formulierte unser Referent so treffend: ist die Datei einmal im MP3-Format, ist es nicht illegal diese zu kopieren, da es keinen Kopierschutz mehr gibt.

Die Provider haben verschiedene Systeme entwickelt, damit es gar nicht nötig ist, Nutzer rechtlich verfolgen zu lassen: zum einen kann man durch entsprechende Technik, die Nutzung der Musikdateien so einzuschränken, dass der Nutzer gar nicht gegen das Recht verstoßen kann, zum anderen können die Anbieter durch Verfolgbarkeit der Daten die Nutzer dazu bringen, dass sie sich nicht trauen, illegale Kopien anzufertigen, da das Wohlverhalten sich lohnt, während Fehlverhalten entsprechende Nachteile bringt. Eine dritte Möglichkeit wäre demnach, die Nutzer dazu zu bringen, dass sie gar nicht gegen die Rechte verstoßen wollen.

Da die Provider ihre Rechte durchsetzen wollen, die Nutzer aber die Last mit der Durchsetzung haben, wollen diese lieber ein Recht auf „Private Use“ haben, sodass sie im privaten Gebrauch die bislang bestehenden Rechte umgehen dürfen. Die Nutzer installierten also 1998 ihren eigenen Server (Napster), wobei die Provider dies bekämpften und schließlich Napster aufkauften, um daraus einen kommerziellen Musikanbieter zu machen. Ursprünglich wurde bei einem solchen System wie Napster oder anderen privaten Tauschbörsen der Konsument gleichzeitig auch selbst zum Anbieter, weil eine Musikdatei seines Computers als Gegenleistung ins Netz hochgeladen werden musste.

Das Potato-System

Als alternatives System stellt der Referent das Potato-System (www.potatosystem.com)vor, bei dem der Nutzer das Weiterverkaufsrecht erhält, wenn er bezahlt. Damit erwirbt er das Recht auf freie Verfügung über die erworbene Ware. Darüber hinaus kann er weitere Dienste in Anspruch nehmen, wie zum Beispiel Fan-Infos, die Kombination von CD- und Konzertverkauf und vieles mehr. Das Problem für die Anbieter dabei ist allerdings, dass sie dadurch immer mehr Anbieterkonkurrenten bekommen, wodurch die Anzahl des verkauften Produkts auf Dauer stark sinken wird. Professor Grimm betont die Notwendigkeit eines Umdenkens beim Verkauf und Vertrieb von Musik besonders seitens der Label da die Praxis zeigt, wie schwierig es ist, die Rechter der Label durchzusetzen.